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Tatort Büro.

© dpa

Machtkampf in der Berliner SPD: Mehr als eine Sicherheitsfrage

Nach einem mysteriösen Einbruch in das Büro des Stadtentwicklungssenators Müller und Attacken gegen sein Wohnhaus fordert die SPD-Fraktionsspitze ausreichenden Schutz für Regierungsmitglieder.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Der Einbruch in die Führungsetage der Stadtentwicklungsverwaltung, aber auch die Farbbeutel- und Eierwürfe gegen das Wohnhaus des Senators und SPD-Landeschefs Michael Müller werfen Fragen nach der Sicherheit von Berliner Regierungsmitgliedern auf. „Wir nehmen die Vorfälle sehr ernst“, sagte der SPD-Fraktionsgeschäftsführer Torsten Schneider dem Tagesspiegel. „Wir haben es hier mit anscheinend professionellen Tätern, aber mit einer unprofessionellen Sicherheitslage zu tun.“

Schneider erwartet von den zuständigen Behörden, auch dem polizeilichen Staatsschutz, dass die Unversehrtheit der Senatsmitglieder und deren Führungsstäbe jederzeit gewährleistet ist. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Raed Saleh wollte sich zu dem Thema vorerst nicht äußern. Einbrecher hatten, wie berichtet, in der 14. Etage des Verwaltungsgebäudes in der Württembergischen Straße, wo Senator Müller mit seinen engsten Mitarbeitern sitzt, Notebooks und ein Fernsehgerät gestohlen. Offenbar gab es auch den erfolglosen Versuch, in Müllers Büro einzudringen. Bislang gibt es keine Hinweise darauf, dass die Täter an politisch brisante Daten herankamen.

Viele Senatsbehörden in Berlin sind für den Publikumsverkehr frei zugänglich. Nur Pförtner wachen über das Foyer. „Wir haben viel Laufkundschaft“, begründete die Sprecherin der Stadtentwicklungsverwaltung, Daniela Augenstein, diese Praxis der offenen Tür, die kein Ausnahmefall ist. Außerdem sei der riesige Gebäudekomplex am Fehrbelliner Platz sehr unübersichtlich. In dem Haus sitzt nämlich auch das Landesverwaltungsamt, und es gibt räumliche Querverbindungen zur Senatsbehörde. Nur das Rote Rathaus, die Senatsinnenverwaltung und die Finanzbehörde sind durch penibel überwachte Sicherheitsschleusen geschützt. Auch im Abgeordnetenhaus und in den Gerichten werden die Besucher einzeln kontrolliert.

Dass der Einbruch und die nächtlichen Attacken gegen Müllers Wohnhaus in Tempelhof mit den innerparteilichen Führungskämpfen in Zusammenhang stehen, wird in der Berliner SPD zwar nicht ausgeschlossen, aber doch als sehr unwahrscheinlich empfunden. „Es ist ein spektakulärer Vorgang“, sagte Boris Velter, der seit kurzem den SPD-Kreisverband Mitte anführt. Wenn Farbbeutel flögen und Sturm geklingelt werde, habe das durchaus Mobbing-Qualität. Aber selbst bei „echten Hardcore-Jusos“ könne er sich nicht vorstellen, dass sie zu solchen Mitteln greifen. „Wer glaubt denn, von einem solchen Käse profitieren zu können?“, fragte Velter.

Auch der SPD-Kreischef in Steglitz-Zehlendorf, Michael Arndt, mag nicht glauben, „dass solche Fascho-Methoden in unserer Partei in Mode kommen“. Seitdem er 1975 in die SPD eingetreten sei, habe er viele beinharte Konflikte erlebt. Aber an gewalttätige Auseinandersetzungen könne er sich nicht erinnern. Einen professionellen Einbruch traut Arndt den eigenen Genossen sowieso nicht zu: „Wir Sozialdemokraten sind nicht sehr begabt in der Verwischung von Spuren“. Die Sprecherin des SPD-Landesverbands, Josephine Steffen, verwies ebenfalls auf die ausgeprägte, aber stets friedliche „Diskussionskultur“ in der Berliner SPD.

Der Landesvorstand der größten Regierungspartei kann sich erst nächsten Montag mit den Vorfällen befassen – und mit dem Führungskampf in der SPD, der aus dem Ruder zu laufen scheint. Noch ist Landesvorsitzender Müller, der im Juni erneut für das höchste Parteiamt kandidieren will, in den Osterferien. Auch sein Widersacher Jan Stöß, Sprecher der SPD-Linken und Kreischef in Friedrichshain-Kreuzberg, macht Urlaub. Stöß hat immer noch nicht mitgeteilt, ob er gegen Müller für den Landesvorsitz kandidieren wird. Welcher der beiden auf dem Wahlparteitag am 9. Juni die Mehrheit hinter sich haben wird, ist derzeit offen.

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit äußert sich zwar nicht öffentlich zum Streit um Personen und politische Strategien. Doch SPD-intern lässt er keinen Zweifel daran aufkommen, dass er seinen Freund und Vertrauten Müller ohne Abstriche unterstützt. Die Zusammenarbeit mit dem SPD-Landeschef funktioniere auch in dessen neuer Senatorenrolle ausgezeichnet.

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