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Vom Alexanderplatz an den Breitscheidplatz. Die Flüchtlinge protestieren jetzt auf dem Vorplatz der Gedächtniskirche.

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Update

Mahnwache vor Gedächtniskirche in Berlin: Flüchtlinge müssen Fußballfans weichen

Die Hungerstreikenden vom Alexanderplatz haben sich inzwischen vor der Gedächtniskirche niedergelassen. Sie dürfen aber nur bis einschließlich Donnerstag bleiben - danach kommen die Fußballfans. Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann (SPD) unterstützt die Forderungen der Flüchtlinge, stellt aber klar, dass es "einen Oranienplatz 2 nicht geben wird".

Von Sabine Beikler

Die evangelische Gemeinde der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche wird den elf Männern, die nach ihrem Hungerstreik am Alexanderplatz an den Breitscheidplatz gezogen waren, weiterhin kein Kirchenasyl gewähren. „Das Kirchenasyl ist ein sehr spezielles Instrument. Es gilt, wenn jemand unmittelbar von Abschiebung betroffen ist, eine unmittelbare Lebensgefahr droht und noch nicht alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft sind“, betonte Pfarrer Martin Germer.

Der Gemeindekirchenrat der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche teilte am Dienstag mit, dass die Flüchtlinge bis einschließlich Donnerstag eine Mahnwache vor der Kirche abhalten dürfen. "Im Hinblick darauf, dass der Breitscheidplatz am Freitag und am Sonnabend Fan-Treffpunkt tausender zum DFB-Pokal-Finale angereister Anhänger von Borussia Dortmund sein wird, ist die Gestattung der Mahnwache kirchlicherseits bis Donnerstag befristet", ließ der Gemeindekircherat wissen.

Politisch unterstützt die Kirche die Forderung der Betroffenen nach einem "gesicherten Aufenthalts-Status in Deutschland". Sie gestattet deshalb nach eigenen Angaben eine Mahnwache auf dem Kirchengrundstück, und zwar unter der Plattform des Baugerüstes. Außerdem stellt sie innerhalb der täglichen Öffnungszeiten der Kirche den Flüchtlingen einen Raum zur Verfügung; dort sollen sie von Initiativen und Hilfsstellen über ihre Situation beraten werden. Die Mahnwache ist bereits bei der Polizei angemeldet worden.

Mögliche Konflikte zwischen Fans und Flüchtlingen will nicht nur die Gemeinde verhindern. Auch Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann (SPD) will ein Aufeinandertreffen „zum Schutz der Flüchtlinge“ verhindern. Naumann und Pfarrer Martin Germer sprachen darüber am Dienstag mit den Flüchtlingen. Naumann betonte, die Flüchtlinge seien „Gäste der Kirche“, weil sie sich auf einem Hochplateau des Gebäudeensembles aufhalten. Er habe den elf Flüchtlingen zum Ausdruck gebracht, „dass die City West für eine Willkommenskultur steht“ und die Flüchtlinge ihr politisch legitimes Recht der Versammlungs- und Meinungsfreiheit ausübten. Aber „ein Oranienplatz 2 wird es im öffentlichen Raum nicht geben“, stellte er klar. Wie berichtet hatten die Flüchtlinge die Mahnwache auch fristgerecht bei der Versammlungsbehörde angemeldet. Die Auflagen wurden ihnen am Dienstag mitgeteilt: eine „campähnliche Behausung“ ist unzulässig, und die Mahnwache ist zeitlich befristet. Sollten die Flüchtlinge die Auflagen nicht befolgen, ist die Kirchengemeinde gefordert. Pfarrer Germer sagte, darüber werde man sich dann zu gegebener Zeit verständigen. Möglicherweise wird sich der Gemeindekirchenrat am Mittwochabend zu einer Sondersitzung treffen. „Wir wollen unseren Gästen helfen, dass sie sich auf die Möglichkeiten des deutschen Asylrechts einlassen“, sagte Germer. Derweil harren die Flüchtlinge vor der Kirche aus. „Wir werden hier bleiben bis wir wahrgenommen werden“, sagte ein Flüchtling dem Tagesspiegel. Sie würden erst gehen, wenn sie in Deutschland ein Bleiberecht bekommen würden. Nach einer Woche Hungerstreik und fünf Tagen ohne Flüssigkeiten zogen sie vom Alexanderplatz in die City West. Nach Tagesspiegel-Informationen übernachten nicht alle elf Flüchtlinge an der Gedächtniskirche.

Am Wochenende organisieren Flüchtlinge aus ganz Europa mit verschiedenen Unterstützergruppen einen „Marsch für die Freiheit“ nach Brüssel über Freiburg und Straßburg. Die Flüchtlinge vor der Gedächtniskirche möchten ihre Stellung dort halten: „Wir unterstützen unsere Freunde aber auf ihrem Weg nach Brüssel.“

Die Flüchtlinge wollen nicht nach Sachsen-Anhalt zurück. „Wir bleiben hier und sind für Schutz gekommen“, sagte ein Mann auf Französisch. Es gehe ihnen nicht um Essen oder Geld. „Wir wollen eine Aufenthaltserlaubnis nach Paragraf 23.“ Nach diesem Paragrafen des Aufenthaltsgesetzes ist es grundsätzlich möglich, dass die obersten Landesbehörden in Abstimmung mit dem Innenministerium „aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland“ eine Aufenthaltserlaubnis erteilen können, ohne dass die Betroffenen das übliche Verwaltungsverfahren durchlaufen. Aufnahmen nach § 23 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes würden sich nur auf Aufnahmen aus dem Ausland beziehen, sagte ein Sprecher des Innenministeriums. Für das „Schutzersuchen an der deutschen Grenze oder im Inland“ sei das Asylverfahren vorgesehen.

Innensenator will keine Vorzugsbehandlung

Auch die Berliner Senatoren Dilek Kolat (SPD) und Frank Henkel (CDU) bleiben bei ihrer ablehnenden Haltung. Nicht jeder, der nach Berlin komme und „sich auf einen Platz setzt, hat ein Recht darauf, in Berlin zu bleiben“, sagte Integrationssenatorin Kolat. Henkel hatte betont, dass es für die Flüchtlinge „keine Vorzugsbehandlung“ geben werde. „Wie auch beim Oranienplatz lehne ich es ab, dass sich Einzelne eine Besserstellung gegenüber anderen Flüchtlingen erzwingen“, sagte Henkel. Berlin lasse sich nicht erpressen, über Recht und Gesetz zu verhandeln – denn dies benachteilige diejenigen Flüchtlinge, die sich einem geordneten Verfahren stellen.

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