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Christof Dame ist Vizechef der Neonatologie der Charité. Dort versorgen 31 Ärzte und 150 Pflegekräfte jährlich u.a. etwa 200 Kinder mit einem Geburtsgewicht unter 1500 Gramm.

© privat

Vize-Klinikchef Dame über Serratien an der Charité: „Man kann nicht keimfrei pflegen“

Nachdem an der Charité fünf Frühchen an Darmkeimen erkrankt waren, sind die hygienischen Zustände an der Uniklinik in die Kritik geraten. Im Gespräch bezieht Vize-Klinikchef Christof Dame dazu Stellung.

Von Sandra Dassler

Herr Dame, wie geht es den an Serratien erkrankten Frühgeborenen?
Zwei Frühchen werden noch beatmet, weil ihre Lungen so unreif waren. Die Serratien-Infektion haben aber alle gut überwunden. Die Ärzte, Schwestern und Pfleger tun alles, um ihnen einen guten Start ins Leben zu sichern. Deshalb haben sie sich auch über die am Sonntag in Ihrer Zeitung veröffentlichte Kritik geärgert.

Sie meinen die Äußerung des Hygiene-Experten der Vivantes-Kliniken, Klaus-Dieter Zastrow?

Ja, er hat spekuliert, dass der Ausbruch theoretisch von derselben Person ausgelöst worden sei wie der Ausbruch 2012. Es könne zum Beispiel eine Rückkehrerin aus Elternzeit sein. Das hat in meinem Team viele verletzt und verunsichert.

Es stimmt also nicht?

Natürlich nicht. Wir haben das selbstverständlich schon Mitte April, nach dem Bekanntwerden der ersten beiden Infektionen überprüft. Es ist molekularbiologisch bewiesen, dass es sich bei dem Geschehen 2012 und 2015 um zwei unterschiedliche Stämme von Serratien handelt. Die entsprechenden Proben wurden auch – um das unabhängig von der Charité nachvollziehen zu lassen – an das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung in Gießen und an das Nationale Referenzzentrum in Bochum geschickt.

Wo kommen die Serratien dann her?

Als wahrscheinlichste Ursache einer Besiedlung kommt die Mutter in Frage. Wenn zum Beispiel die Fruchtblase der Schwangeren vorzeitig gesprungen ist, gelangen Keime an das Kind.

Was reifen Neugeborenen wenig ausmacht, oder?

Richtig, das wird nur problematisch bei Frühchen oder kranken Neugeborenen. Deshalb führen wir ein Screening durch und entdecken dabei alle sechs bis acht Wochen einen einzelnen Serratienbefall.

Was ja noch kein Ausbruch ist.

Genau. Das betroffene Kind wird dann konsequent isoliert, bekommt ein Einzelzimmer. Wir haben nach dem Ausbruch von 2012 deswegen sogar Umbauten vorgenommen. Erst wenn zwei Kinder in zeitlichen und räumlichen Zusammenhang betroffen sind, spricht man von einem Serratienausbruch. Der muss dem zuständigen Gesundheitsamt gemeldet werden.

Auch der Öffentlichkeit?

Nein. Ob die Öffentlichkeit informiert wird, entscheidet das Gesundheitsamt oder das jeweilige Krankenhaus.

Herr Zastrow behauptet, dass es auf den Frühgeborenen-Stationen bei Vivantes noch keinen Ausbruch gab. Stimmt das?

Zu der epidemiologischen Situation bei Vivantes kann ich nichts sagen, weil es dazu keine veröffentlichten Daten gibt. Wir arbeiten aber mit den Kollegen dort sehr eng und gut zusammen.

Nochmal zurück zur Übertragung der Keime von einem Kind auf das andere. Wodurch kann das geschehen, wenn die befallenen Kinder isoliert sind?

Der Tagesspiegel hat einmal geschrieben, man könne nicht keimfrei pflegen. Das ist richtig. Wir können nicht hundertprozentig ausschließen, dass eine Mutter sich nicht richtig die Hände desinfiziert und die Keime etwa am Flaschenwärmer hinterlässt. Und es gibt Notsituationen, wo das Personal Überträger sein kann.

Zum Beispiel?

Frühchen haben noch unreife Atemzentren. Wenn plötzlich der Atem aussetzt, muss ganz rasch mit den Händen eine Stimulation erfolgen. Da kann es passieren, dass zu kurz desinfiziert wird.

Sonst sind zwar die Hände steril, aber das Kind ist tot?

Oder es hat bleibende Schäden davongetragen. Das gilt für Notfälle, in denen das Baby eine Atemmaske braucht.

Warum steht die Charité so im Fokus der Öffentlichkeit?

Weil wir viele und auch besonders schwere Fälle versorgen. Erst am Wochenende wurde eine Risikoschwangere mit dem Hubschrauber aus Passau zu uns gebracht. Wenn wir aber die Zahl der Infektionen mit der Anzahl und der Liegedauer der behandelten Frühchen ins Verhältnis setzen, gehören wir zu denjenigen der 228 Neonatologien Deutschlands mit den geringsten Krankenhausinfektionen.

Das Gespräch führte Sandra Dassler.

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