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Berlin: Managerhirne und Arbeiterfäuste

Morgen wird der Schlüssel für das DDR-Staatsratsgebäude übergeben. Für 35 Millionen Euro entsteht dort eine Elite-Hochschule

„Die einschusssichere Verglasung kommt weg“, sagt Bauleiter Clive-Christian Ecob. Er steht hinter den hohen Fenstern im zweiten Stock des früheren Staatsratsgebäudes, schaut auf den Schloßplatz und den maroden Palast der Republik. Bis 2001 blickten von hier aus Bundeskanzler Gerhard Schröder und seine Kabinettskollegen auf den öden Platz. Bald werden es viele Studenten tun. Während der Aufbau des Schlosses auf sich warten lässt, steht die Elite-Hochschule schon am Start, um neues Leben auf den Schloßplatz zu bringen. Am Donnerstag wird Derek F. Abell, der Präsident der European School of Management and Technology (ESMT), vom Regierenden Bürgermeister den symbolischen Schlüssel für das ehemalige Staatsratsgebäude erhalten.

Die von der Wirtschaft getragene Manager-Uni will 35 Millionen Euro investieren, um das Haus zu renovieren und teilweise unter Denkmalschutz-Auflagen umzubauen. Anfang 2006 soll der Studienbetrieb beginnen, in der Anfangsphase wird es hier jährlich rund 100 Vollzeitstudenten geben.

Erst einmal aber werden Bauleute einziehen. Am Vordergebäude soll sich nicht viel verändern, an der Fassade wird das Glas erneuert, innen werden Säle und Kinoraum zu Hörsälen und Seminarräumen. Geplant sind auch ein Café und Ausstellungsflächen, um das Haus auch für die Öffentlichkeit interessant zu machen. Im hinteren Teil des Gebäudes, in dessen langem Bürotrakt an der Breiten Straße vorübergehend Abteilungen des Bundesnachrichtendienstes untergebracht waren, werden stellenweise Wände eingerissen, Zwischendecken gezogen.

Noch herrscht im Gebäude eine merkwürdige Stille. Die Zeit scheint stehen geblieben, gepflegt konserviert. Bis auf den Bauleiter, der das Haus mit großem Schlüsselbund kritisch durchmisst, ist kein Mensch weit und breit zu sehen. An den Türschildern in den oberen Etagen steht noch „Bundeskanzler“, zwischen den doppelten Fensterscheiben blühen tropische Pflanzen, regelmäßig wird sauber gemacht und gegossen. Die denkmalgeschützten, haushohen Fenster mit Arbeiter- und Bauern-Motiven. über die sich einst DDR-Staatschef Honecker freute, leuchten bunt ins Treppenhaus. Und starke Arbeiterfäuste werden sich auch den Elite-Schülern des Kapitalismus entgegenrecken, wenn sie bald die breiten Treppen auf- und abgehen.

Es werden nicht frische Abiturienten, sondern berufserfahrene Führungskräfte sein. Sonst hätten sie sich ihren Feinschliff vielleicht in Elite-Schulen in den USA, England oder Frankreich geholt. Viele, die ins Ausland gingen, blieben dauerhaft weg, was die deutsche Wirtschaft wurmte. Die neue Hochschule, die schon in München und in der Nähe von Köln unterrichtet, soll nun helfen, die karrierebewussten Führungskräfte im Land zu halten und zum „Master of Business Administration“ zu küren. Die Unterrichtssprache ist Englisch. Die meisten Ein-Jahres-Studenten werden vermutlich von Firmen entsandt, die Studiengebühr beträgt immerhin 50000 Euro.

Von der Wiederbelebung des Hauses wird der Schloßplatz profitieren, der nach dem angekündigten Abriss des Palastes der Republik Anfang nächsten Jahres kaum noch Fassung haben wird. Seit zwei Jahren steht das Staatsratsgebäude nahezu leer. Die Expertenkommission Historische Mitte kam hier zusammen, um über die Zukunft des Schloßplatzes zu beraten. Dann wurde endgültig abgeschlossen. Die Schlüssel gingen vom Bund ans Land Berlin. Ende Januar stimmte das Abgeordnetenhaus dem Senatsvorschlag zu, der privaten Hochschule das Gelände im Erbbaurecht für 65 Jahre zu überlassen.

Heute beginnen schon erste Umbauarbeiten im Staatsratsgebäude: Es werden alle Schlösser ausgewechselt.

Christian van Lessen

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