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Auf Deutsch gesagt: Manische Abkürzeritis

Die CDU hat sich dafür ausgesprochen, "die Innovationskraft der KMU’s genügend zu stärken". Es wird gern in Abkürzungen geredet, Kürzel sind zur Manie geworden. Brigitte Grunert über die Sprache der Politiker

Nichts gegen gängige Abkürzungen, jeder weiß, was IT bedeutet, was die EU ist, die IHK oder der DGB. Niemand käme auf die Idee, die Berliner BVG mit dem BVG, dem Bundesverfassungsgericht, zu verwechseln. Doch viele Kürzel sind für den Laien Hieroglyphen. Unsereiner kann sie nur mithilfe der Suchmaschine entschlüsseln. Macht nichts, Hauptsache, Fachpolitiker und Bürokraten können sich untereinander ohne Hilfsmittel verständigen. Was ist beispielsweise „rechts- und klagesicheres AV-Wohnen?“, wie die CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus formuliert hat? Da muss man direkt dankbar für die Erläuterung sein, dass AV für „Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung“ steht.

Die Grünen fordern, fünf Millionen Euro aus dem Konjunkturprogramm für die Pflanzung von Straßenbäumen abzuzweigen. Ein solches Sonderprogramm des Senats sei 2007 an der EU gescheitert, „die die geplanten Mittel aus dem UEP versagte“. Dank der Suchmaschine kann man herausfinden, dass UEP das Umweltentlastungsprogramm ist.

Die CDU, mit einer Serie von Anträgen darauf bedacht, die Ordnungsämter aufzuwerten, verlangt unter anderem, „Mitarbeiter der Ordnungsämter im AOD auch in bürgerlicher Kleidung (zivil)“ einzusetzen und „alle Mitarbeiter im Außendienst mit neuer Digitalfunktechnik entsprechend dem Standard aller BOS-Behörden auszustatten“. Wie so oft fehlen in den wortreichen Anträgen Hinweise, dass AOD der Allgemeine Ordnungsdienst ist und BOS das Kürzel für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben wie Polizei, Feuerwehr oder Rettungswesen.

Ja, und was bitte sind KMU’s? Die CDU hat sich dafür ausgesprochen, „die Innovationskraft der KMU’s genügend zu stärken“. Ich habe lange gerätselt und dann kurz gegoogelt. Gemeint sind schlicht kleine und mittlere Unternehmen. Die brauchen übrigens kein unverständliches Kürzel und schon gar keinen Apostroph mit dem s, denn sie sind doch keine Unternehmen’s.

Abgeordnete tun sich sogar mit der Erfindung von Kürzeln hervor, die dann in den langen Texten gar nicht mehr auftauchen. So fragte der Abgeordnete Peter Trapp (CDU) nach der Zahl der „Anwendungsfälle (AF)“ im polizeilichen Informationssystem. Partnerschaften der öffentlichen Hand mit Privatbetrieben wurde das Kürzel ÖPP verpasst. Und über einer Großen Anfrage prangt das Motto: „Wo steht die Verwaltung in Sachen interkulturelle Öffnung (IKÖ)?“ Ach, sie sollen uns mit ihrer Abkürzeritis verschonen.

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