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Hier geht's lang. Hoffmann zeigt auf seinen Vorschlag. Zu sehen sind die Abflugrouten am BER; oben die Nordbahn, unten die Südbahn.

© dpa

Marcel Hoffmann - der BER-Kurvenerfinder: Routen beim Frühstück

Die Eingebung kam beim Essen: Wie der Privatpilot Marcel Hoffmann sich seine Kurve ausdachte und die Behörden überzeugte. Diese weisen Sicherheitsbedenken der Piloten zurück.

Der schlanke, große Mann mit dem Tabletcomputer voller Grafiken steht oben auf dem BER-Infotower und zeigt auf die Südstartbahn des künftigen Hauptstadtflughafens. Wenn der mal aufhat und der Wind von Osten her weht, werden Piloten aus aller Welt genau so von der Südbahn des Luftdrehkreuzes starten, wie er es sich ausgedacht hat: Marcel Hoffmann, 63 Jahre alt, Vorruheständler und Privatpilot aus Brandenburg. „Wenn die Maschine abgehoben hat, kann man die Sekunden zählen: 21, 22, 23 – und dann legt sich das Flugzeug teils noch über der Startbahn sanft rein in die Kurve.“

Piloten sagen: "Stuntkurve". Hoffmann sagt: "Quatsch".

Es gibt in Brandenburg jetzt viele Menschen, die glücklich darüber sind, dass die „Hoffmannkurve“ ihnen Turbinendröhnen erspart – wie etwa Einwohner von Waltersdorf, Zeuthen, Schulzendorf und Eichwalde, wo Marcel Hoffmann selbst wohnt. Und es gibt Menschen, die gar nicht glücklich sind über den 145-Grad-Kurvenflug ab einer Höhe von 600 Fuß, etwa der halben Höhe des Fernsehturms – wie etwa Piloten von Verkehrsmaschinen (siehe nebenstehendes Interview). Einige nennen sie gar „Stuntkurve“. Hoffmann weiß, dass manch Kritiker Stimmung machen mit dem Namen „Kotzkurve“, aber das sei „unseriös und völliger Quatsch“. Hoffmann sagt, er habe die Routen als zwei Jahrzehnte erfahrener Privatpilot in Absprache mit Verkehrspiloten, mit Fluglotsen und Kartenexperten entwickelt. „Und ich gehe davon aus, dass die zuständigen Behörden, erst recht besonders genau prüfen, wenn jemand von außen einen Vorschlag äußert.“ Der Pilotenverband will jetzt prüfen, ob eine Risikoanalyse gemacht wurde.

Bundesamt weist Sicherheitsbedenken zurück

So weist das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) Sicherheitsbedenken zurück. Man habe die Kurve bei extremen Wetter- und Startbahnbedingungen im Flugsimulator der Lufthansa getestet und alles mit Chefpiloten diskutiert. Alles sei nach den strengen Sicherheitsvorschriften gesetzlich erlaubt. Laut BAF-Experten ist die Kurve anspruchvoll, aber sie sei problemlos machbar. Wahrscheinlichkeiten für Problemfälle im Flugverkehr lägen im hohen Millionenbereich.

Hoffmann verweist auf ähnliche Kurven in Bremen und Wien. Der Pilotenverband hält dagegen, in Bremen sei die Kurve flacher, in Wien gehe es erst auf 1000 Fuß linksherum. Hofmann wiederum betont, er habe schließlich nur die Idee gehabt, die Behörden haben diese beschlossen. Er bekomme dafür viel Lob, sagt Hoffmann.

Aber wie fing überhaupt alles an mit dieser Kurvendiskussion? „Ich saß mit meiner Frau am Frühstückstisch, habe in der Zeitung die vorgeschlagenen Flugrouten gesehen und musste lachen. Ich sagte: ,Vielleicht wissen die Behördenvertreter nicht, dass man mit einem Flugzeug auch Kurven fliegen kann?’“ Er selbst chartert mit seiner Ehefrau gern am Airport in Oehna im Landkreis Teltow-Fläming eine Maschine vom Typ Peregrine. So lief sein innerer Motor an. Projektbezogen arbeiten, konzeptionell denken, das kann Hoffmann. Er hat jahrzehntelang in einem Verband im Bankenwesen in leitender Position gearbeitet und sich entschieden, bezeiten in Pension zu gehen. „Ich bin Optimist, deshalb spreche ich auch nicht von Rentnerdasein, sondern von Dauerurlaub.“

Warum über Ortschaften fliegen, wenn Platz zum abkurven ist?

Er hatte dann heimliche Sympathisanten. Eines Tages fand er in seiner Mailbox die E-Mail- Adressenliste aller Mitglieder der Fluglärmkommission. Das Gremium musste er überzeugen – es waren dann drei Mitglieder, mindestens, und leitende Beamte im Bundesverkehrsministerium. „Warum über Ortschaften fliegen, wenn vorher Platz ist, abzukurven?“, argumentiert der Privatier und Hobbyfotograf. Mit Erfolg.

Die Experten im BAF erklären, dass Piloten kleiner und mittelgroßer Verkehrsmaschinen gleich nach dem Start im Steigflug ab 182 Meter die Kurve einleiten sollen. Man darf nicht schneller sein als 360 Stundenkilometer. Das Flugzeug soll sich je nach Gewicht, Auslastung und Schubkraft, etwa 15 bis 25 Grad seitlich neigen. Die Passagiere, die rechts sitzen, sehen den Boden, die links in den Himmel. Die zweite Hoffmann-Kurve auf der Südbahn heißt „Gorig 1B“: Ab 600 Fuß Höhe geht es erst in einer 60 Grad-Kurve rechts und dann nach links herum. Hoffmann würde die Route zum Lärmschutz gern noch entlang der Autobahn gen Süden führen.

Alle sehr großen oder sehr schweren Flugzeuge wie der A 380, die nicht so schnell Höhe gewinnen können und dadurch auch den landenden Verkehr gefährden könnten, dürfen nach Rücksprache mit dem Tower erstmal geradeaus („GorigG 1N“). Hoffmann wünscht sich seine Kurve auch spiegelverkehrt gen Westen. Und, ist er stolz? „Ach, wissen Sie, wie hat mein jüngerer Sohn früher vorm Kleiderschrank gesagt, wenn ich ihn gefragt habe, was er gern anziehen will? – ,Das ist mir so was von egal.’“

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