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Berlin: Markenware für Unbesohlte

Der Traditionsbetrieb Leiser verschenkte bei der Stadtmission 1000 Paar Schuhe an Bedürftige

„Geschenkt bekommen? So einen Superschuh?“ Michael Holzner aus Freilassing, Bayern, dreht sein bärtiges Gesicht zur Seite, um zu überlegen. „Das war vor 30, 35 Jahren, von meiner Oma.“ Diese neuen Schuhe an seinen Füßen, braune Sneakers mit einem Kangaroologo, Ladenpreis um die 100 Euro, hat ihm gerade die Firma Leiser überlassen, als Geschenk anlässlich des 100. Geburtstags der Filiale am Tauentzien.

In der Stadtmission Lehrter Straße gibt es üblicherweise Second-Hand-Ware aus der Kleidersammlung. Bei Klamotten sei das okay, sagt Holzner, nur an das Schuhwerk stellt man als Obdachloser eben besondere Anforderungen. Seine letzten Schuhe waren so zerschlissen, dass er mit der Ferse immer auf den hinteren Schaft trat. Die Füße entzündeten sich, schwollen an und brachten ihm eine Einweisung in die Krankenstation. Mit den neuen Schnürschuhen kann er auch mit geschwollenem Fuß zum Jobcenter gehen, um endlich Arbeit zu finden.

Die Idee, für einen Tag eine Leiser-Filiale in der Stadtmission zu eröffnen und dabei auf das Kassieren zu verzichten, würdigte Stadtmissions-Chef Hans-Georg Filker mit dem Satz: „Fröhliche Geber hat Gott lieb.“ Den Menschen ohne Geld und Obdach gebe eine solche Aktion neues Selbstvertrauen.

1000 Paar Schuhe im Wert von 80 000 Euro sind zu verteilen, gute Markenware von Gabor bis Bugatti. Zwei Verkäuferinnen erkundigen sich nach Schuhgrößen und Vorlieben. Alex, sonst auf Platte am Alexanderplatz unterwegs, hat sich schon die bequemen Treter von Merelle ausgeguckt. Die werden auch gerne von Jungmanagern zu Anzügen getragen, sagt Verkäuferin Ilona Kollhoff. Alex bevorzugt generell Sportliches. Die Farbe ist ihm egal. Seine letzten Fabrikneuen waren „billige vom Vietnamesen, für’n Zehner.“ Haben aber nicht lange gehalten. Von Leiser erwartet er da schon einen deutlichen Qualitätssprung.

In die improvisierte Filiale sind nicht nur Menschen gekommen, die auf der Straße leben. Die Rentnerinnen Ilona und Margot sagen, sie wüssten nicht, wie sie von 345 Euro „Grundsicherung“ im Monat vernünftige Schuhe kaufen sollen. Ilona sucht „was Flaches“ zum Wohlfühlen, ihre Freundin steht eher auf was Hochhackig-Elegantes. Die dritte Kategorie der Schuh-Bedürftigen sind die kinderreichen Familien. Sich hinsetzen und anprobieren darf, wer mehr als zwei Kinder hat.

Kathrin aus Kreuzberg 61 hat drei Kinder, einen Mann, der verdient, aber haushalten müsse sie schon sehr mit dem Geld. Bei Kleidung reiche ja second- hand, aber das Schuhwerk sollte doch ohne Vorbesitzer sein. Deshalb bekommen Rosalie und Finn von Leiser Sommerschuhe geschenkt. Sonst schenken immer die Großeltern und Tanten.

Die Stadtmission lässt sich zurzeit selbst gerne beschenken, und zwar mit Geld. Das Grundstück des neuen Zentrums an der Lehrter Straße – dort sind soziale Initiativen untergebracht, aber auch Unterkünfte für Touristen und Studenten – soll durch Spenden finanziert werden. Ein Quadratmeter „kostet“ den Stifter 500 Euro. 2540 Quadratmeter von 20 000 sind bislang vergeben.

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