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Berlin: Maruta Schmidt: Vorwärts und nicht vergessen - Die Verlegerin verwaltet den Untergang linker Projekte

Aus dem fein gezeichneten Gesicht blicken zwei blaue Diamanten. Auch die glatten hellgrauen Haare leuchten wie phosphorisiert über dem mattschwarzen Kostüm.

Aus dem fein gezeichneten Gesicht blicken zwei blaue Diamanten. Auch die glatten hellgrauen Haare leuchten wie phosphorisiert über dem mattschwarzen Kostüm. Maruta Schmidt sitzt und raucht, einen Ellenbogen aufgestützt, wie zur Pose für einen expressionistischen Maler. Sie wirkt zäh und willensstark. Stolz ist sie - ein Gefühl, das ihr über Niederlagen hinweghilft. Stolz, überlebt zu haben in schweren Zeiten, "bei Strafe des Untergangs" nicht resigniert zu haben.

Vor zehn Jahren begann die große Zeit für die Verlegerin aus dem Kreuzberger Linksintellektuellen-Milieu. Im Strudel der DDR-Auflösung trieben plötzlich DDR-Publikationen wie "Der Sonntag", die FDJ-Zeitung "Junge Welt" und später "Der Alltag" herrenlos durchs Blättermeer. Bei "Elefanten Press", damals noch in der Kreuzberger Oranienstraße, strandeten sie zumeist. Hier vermuteten die verunsicherten Redakteure Gleichgesinnte, die ihnen den Einstieg ins unbekannte West-System ermöglichen würden. Hilfestellung habe man gegeben, sagt Maruta Schmidt, die Geschäftsführung übernommen. Plötzlich war die Chefin eines kleinen Buchverlags am Ruder eines Medienimperiums mit einem Jahresumsatz von 40 Millionen Mark. Mit Euphorie sei man an die Arbeit gegangen, überzeugt, dass 16 Millionen Sozialisten das werdende Gesamtdeutschland entscheidend mitprägen würden. Dazu wollte Maruta Schmidt aufklärerische Arbeit leisten, Meinungen publizieren - radikal links, wenn auch gebrochen durch Ironie und dem Willen zur Karikatur. Auch die Satirezeitschrift "Titanic" gehörte damals zur "Mediengruppe Schmidt & Partner".

Mit dem Druckhaus der ehemaligen FDGB-Zeitschrift "Tribüne" glaubten Schmidt und ihre Freunde, endlich einen Schalthebel zu besitzen. Das zweitgrößte Druckhaus der DDR in Kreuzberger Hand! Ein Produktionsmittel zur Bekämpfung der Springer-Presse auf dem Massenmarkt! Maruta Schmidt kann über solche Anwandlungen linken Größenwahns heute lächeln. "Wir wussten erst gar nicht, was wir da drucken sollten." Sehr schade sei, dass die "Junge Welt" heute nur noch ein Liebhaber-Blättchen vom Umfang einer Wahlkampfpostille ist und der "Freitag" als Nachfolger des großen DDR-Blatts "Der Sonntag" in einer ständigen Existenzkrise sich selbst verschleißt. Schade auch, dass aus dem an ihrer Person anknüpfenden Mediennetzwerk ein verstreuter Haufen kaum lebensfähiger linker Projekte geworden ist. Unter die Oberfläche dieses Wortes "Schade" lässt die Verlegerin nicht blicken. "Es war spannend, aber gut, dass es wieder zusammengeschnurrt ist." Gesundheitlich könne sie die 60-Stunden-Woche nicht mehr so stemmen wie früher. Und Unternehmerin zu sein, habe sie, die Kommunistin, eigentlich immer gehasst.

Im Frühjahr verkaufte sie ein Kernstück ihrer verlegerischen Identität an den Medienkonzern Bertelsmann: den Kinder- und Jugendbuch-Bereich des Verlags Elefanten Press. 1978 aus der gleichnamigen Kreuzberger Galerie entstanden, blieb Elefanten Press über zwei Jahrzehnte ein wichtiges Label für Antifaschismus- und Antirassismus-Literatur. Nebenher entstand ein Kinder-und Jugendbuch-Segment, das zuletzt 40 Prozent der Buchveröffentlichungen umfasste. Verkauft wurde auch der Name. Schade, sagt Maruta Schmidt wieder, aber man habe ihr eben einen guten Preis geboten. Das politisch und historisch ausgerichtete Verlagsprogramm läuft unter dem Namen "Espresso" weiter.

Maruta Schmidt ist jetzt 55, hat viele Illusionen verloren, aber die Hoffnung auf eine andere Gesellschaft hat sie nicht verloren. Das Standhalten lernte sie im Lager in Stuttgart. 1944 waren ihre Eltern aus Lettland geflohen. Maruta kam unterwegs zur Welt. Vor dem Wirtschaftswunder-Deutschland floh sie später weiter nach Berlin, studierte Kunstgeschichte an der TU und ergötzte sich am "morbiden Charme" der Stadt. Während der Studentenbewegung mischte sie hochschulpolitisch mit und trat in die SEW, das West-Berliner Pendant der SED, ein. Die Apo-Helden Che, Mao und Marx blicken noch heute von den Wänden der Verlagsräume in Treptow. Der sozialistische "Menschheitstraum" wird irgendwann wiederkehren, in anderer Gestalt - darin ist sich Maruta Schmidt sicher.

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