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Berlin: Marzipan-Osterhasen, Nuss-Nougat-Pralinen, hauchdünne Täfelchen - das Traditions-Unternehmen brummt

Das Art-déco-Schmuckstück in der Brandenburgischen Straße 17 brummt - Gründonnerstag und Ostersonnabend stehen die Kunden schon mal Schlange vor der Tür. Hinter dem Ladentresen verliert Ingrid Hamann trotzdem nicht die Nerven - bedient geduldig und verpackt auch den kleinsten Einkauf.

Das Art-déco-Schmuckstück in der Brandenburgischen Straße 17 brummt - Gründonnerstag und Ostersonnabend stehen die Kunden schon mal Schlange vor der Tür. Hinter dem Ladentresen verliert Ingrid Hamann trotzdem nicht die Nerven - bedient geduldig und verpackt auch den kleinsten Einkauf. Dienst am Kunden gehört zu den Traditionen der Schokoladenmanufaktur Hamann.

Sozusagen in die Schokolade hinein hat die gelernte Physiotherapeutin 1959 geheiratet - den damals 24-jährigen Gerhard Hamann und Sohn des Firmengründers Erich Hamann. Heute leben in drei Wohnungen Hamanns im Haus in der Brandenburgischen Straße, in dem es schon auf der Treppe betörend nach Schokolade duftet. "Das rieche ich gar nicht mehr", sagt Gerhard Hamann und öffnet die Tür zu den Produktionsräumen. Auch hier keine österliche Hektik, ein junger Mann löst bedächtig letzte Schoko-Osterhasen aus der nostalgischen Form, zwei Frauen stecken Pralinen in die seit den zwanziger Jahren im Dekor unveränderte Hamann-Packung.

"Kosten Sie mal", fordert eine der Schokoladenfrauen auf und schiebt sich selbst auch eine Praline in den Mund. Das darf hier jeder, und so ist Gerhard Hamann selbst groß geworden. Bunte Teller oder Osternester bekam er nie, aber seine Schulkameraden beneideten ihn trotzdem. Konnte er doch das ganze Jahr über in Schokolade wühlen und Weihnachtsmänner und Osterhasen essen, soviel er mochte.

In der Kurfürstenstraße hatte sein Vater Erich Hamann 1912 das erste Schokoladengeschäft eröffnet - was er dort verkaufte, stellte der gelernte Konditor nach eigener Rezeptur her. Die Mixtur gelang auf Anhieb, Hamann-Schokolade wurde schnell zum Objekt der Begierde. Und das zu einer Zeit, in der Berlin als Schokoladenmetropole galt - 300 Fabrikationen gab es. Davon überlebt hat keine Handvoll, gehalten hat sich "Erich Hamann. Bittere Schokoladen Berlin".

Bitteres vom Feinsten war und ist die Spezialität des Familienbetriebs, in den mit dem 39jährigen Andreas Hamann die dritte Generation eingestiegen ist. Auf die vierte Generation können Fans der Hamann-Süßigkeiten nur hoffen. Seinen sechsjährigen Enkel Nick bekam der Seniorchef von Tochter Gabriela, die arbeitet allerdings als Sozialpädagogin.

1928 bewies der Firmengründer, dass man mit dem Verkauf von Pralinen auch Bauherr werden kann. Das heutige Erich-Hamann-Haus ließ sich der Schokoladenmacher vom Bauhausarchitekten Johannes Itten errichten - mit Platz für Familie, Laden und Produktionsstätten. Damals ernährte die bittere Schokolade etwa 60 Mitarbeiter, heute sind es zwölf.

Ostern 2000 schaut Gerhard Hamann zuversichtlich in die bittere-schwarzbraune Zukunft hand made bei Hamann. Den "schlimmsten Tag seines Geschäftslebens" - im Dezember wurde die Firma fälschlich beschuldigt, im Dritten Reich Zwangsarbeiter beschäftigt zu haben - hat er überwunden und das American Jewish Committee sich bei ihm entschuldigt. Der Kundenzahl war es nicht abträglich, sie ist eher gewachsen. "Der Regierungsumzug macht sich bemerkbar", sagt der Seniorchef, der auch mit 65 noch immer selbst in der Schokolade rührt, dies nach den geheimen väterlichen Rezepten und dem deutschen Schokoladen-Reinheitsgebot. "Man muß persönlich mitarbeiten", ist seine Devise als Chef und "es muß mir selbst schmecken, sonst kann ich es nicht verkaufen". Seinen Kunden "möchte ich schließlich nicht nur den Preis abnehmen, sondern auch Freude bereiten". Die hat er selbst, etwa dann, wenn einer von weither dem Taxifahrer am Flugplatz nicht zuerst das Hotel, sondern die süße Adresse in der Brandenburgischen Straße nennt, um dort die "beste Schokolade der Welt" zu kaufen. Auf die ist Gerhard Hamann stolz. Von den handgespritzten Nuß-Nougat-Pralinen, hauchdünnen Schokoladentäfelchen, oder den bis zu einem Kilo schweren Marzipan-Osterhasen à la Dürer kann er schwärmen wie von einer Geliebten, schildert knackige Qualität, Schönheit aus zartem Schmelz und Glanz wie Emaille.

Dabei wäre Gerhard Hamann lieber Förster geworden. Als er 1950 die Schule verließ, war er indes froh, bei einer befreundeten Schokoladenfirma lernen zu dürfen. Mit der Schokolade ging es gerade wieder aufwärts. Das hat der Vater nicht mehr erlebt, er starb 1949. Nach dem Krieg war von acht Filialen nur das Stammhaus übrig. Schokolade nicht. Nur Dekorationsmaterial, zm Beispiel breite Schmuckbänder. Daraus bastelte Gerhard Hamanns Mutter Anna kunstgewerbliche Artikel, auch Taufkleidchen. "Die rissen ihr die Amis aus den Händen", erinnert sich Hamann, der 1960 von der Mutter den Betrieb übernahm. Als Schokoladenmacher, nicht als "Fachkraft für Süßwarentechnik", wie es heute heißt. "Das klingt nach Maschinen und Fließband. Wir machen Schokolade."

Heidemarie Mazuhn

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