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Mauergedenkstätte: Lernort für demokratische Linke

Ex-Senator Thomas Flierl und Kollegen besichtigen die Mauergedenkstätte. Noch ist das Gelände an der Bernauer Straße in einem Zwischenzustand.

Es ist und bleibt paradox: Ausgerechnet ein Mann mit SED-Vergangenheit hat als Senator das Mauergedenk-Konzept auf den Weg gebracht. Daran erinnerte Thomas Flierl, ehemaliger Berliner Kultursenator und nun Abgeordneter der Linkspartei, als Mitglieder der Linksfraktion am Freitag die Mauergedenkstätte an der Bernauer Straße besichtigten. Flierl tat das mit der dezenten Bemerkung, dass ein Senator der PDS (so hieß die Linke 2006 noch) „nicht prädestiniert erschien“, um ein umfangreiches Konzept des Mauergedenkens zu erarbeiten. Jetzt aber, drei Jahre danach, sei er „begeistert“ über das, was an der Bernauer Straße Wirklichkeit werde. Dass Flierl spannend fand, was an der Bernauer Straße mit Blick auf „50 Jahre Mauer“ im Jahr 2011 entsteht, war ihm anzumerken. Der Kulturfachmann Flierl sieht einen Lernort „auch und gerade für die demokratischeLinke“.

Fraktionschefin Carola Bluhm und ein Dutzend Abgeordnete der Linken ließen sich von Gedenkstättenchef Axel Klausmeier den Planungsstand erklären. Noch ist das Gelände an der Bernauer Straße in einem Zwischenzustand: Wer an der Mauer entlanggeht oder das Mahnmal mit der rostigen Stahlwand besichtigt, wird das Bedürfnis nach mehr Geschichte und Geschichten empfinden. Das soll in den kommenden Jahren, so erläuterte es Klausmeier, überall auf dem 1,2 Kilometer langen Geländestreifen befriedigt werden: Durch die Stahlstelen, die den Mauerfall nachzeichnen, durch Hinweise im Gelände, die an Fluchten, Todesfälle oder die Verläufe von Fluchttunneln erinnern; durch neue Ausstellungen und den neuen Informations-Pavillon, den Bauarbeiter aus Betonfertigteilen zusammensetzen.

Dann erwähnte Klausmeier noch ein Vorhaben, von dem er ahnt, das es zu verschärftem Streit führen kann: das „Fenster des Erinnerns“, das zu einem „Fenster des Gedenkens“ werden soll. Gemeint sind die Bilder der 136 Berliner Mauertoten – von denen acht Grenzer gewesen sind. Erinnern dürfe man an alle, so Klausmeier. Doch dürfe man auch derer „gedenken“, die an der Grenze standen, um auf Flüchtlinge zu schießen? Darüber gebe es sehr verschiedene Ansichten, sagte Klausmeier – was sich prompt bestätigte. Ein Mitglied der „Historischen Kommission“ der Linkspartei sagte über die Grenzsoldaten, es sei nicht unbedingt „ihr freier Wille“ gewesen, die Grenze zu bewachen. Da war wieder dieser Drang zur DDR-Rechtfertigung. Er sprach über die Mauer als Grenze, die die DDR brauchte, weil sie als System „im Wettbewerb nicht bestehen konnte“. Da klang noch etwas von den Schwierigkeiten an, die Mauer als grausam zu bezeichnen.

Marion Seelig, Fraktionsvize der Linken mit biografischer Verbundenheit zum Grenzgebiet auf DDR-Seite, ließ sich eher auf die Problematik ein, die Klausmeier angesprochen hatte: Es gebe Grenzer, die von einem Querschläger tödlich verletzt wurden, als sie auf Flüchtende schossen – und andere, die tödlich verletzt wurden von Schüssen, die ein bewaffneter Flüchtling abgab. Zum 13. August soll ein Buch mit Biografien vorgestellt werden, das als Grundlage des „Fensters des Gedenkens“ dient. Woran sich der Gedenkstättenleiter gebunden fühlt, macht er klar: „Wir machen hier staatliches Gedenken.“ Zu den Botschaften der Mauergedenkstätte gehöre auch die Erinnerung an 1989: „Widerstand gegen die Diktatur lohnt sich!“ Wessen wie gedacht werden soll  – „das wird eine sicherlich noch heiße Diskussion“, sagte Klausmeier. Doch sei es besser, über das System DDR zu streiten als so zu tun, als wären mit einer fertigen Gedenkstätte alle Fragen beantwortet.Werner van Bebber

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