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Berlin: Medizin und eine Mahlzeit

Gesundheitszentrum für obdachlose Menschen hat in Mitte eröffnet

Der leuchtend rote Lack an der Tür des 100 Jahre alten Backsteingebäudes ist noch nicht lange trocken. Und unter der Hausnummer 12 in der Pflugstraße in Mitte hängt lediglich ein DIN-A4-Zettel, der auf das neue Projekt hinweist. „Vieles ist noch provisorisch“, sagte Jenny De la Torre. „Aber wir können endlich anfangen.“ Ihre gleichnamige Stiftung hat gestern eine bundesweit einmalige Einrichtung für wohnungslose Menschen eröffnete: das Gesundheitszentrum für Obdachlose. „Hier wollen wir Menschen ohne festen Wohnsitz nicht nur medizinisch helfen, sondern sie auch im Lebensalltag unterstützen“, sagte die Ärztin.

In dem dreistöckigen Gebäude sollen neben der unentgeltlichen ärztlichen Behandlung auch Beratungen angeboten werden. So können Hilfsbedürftige Rat von einem Rechtsanwalt, einem Psychologen oder einem Sozialarbeiter bekommen. Es gibt auch eine Suppenküche und eine Kleiderkammer. „In Berlin leben etwa 10 000 obdachlose Menschen. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, ihnen mit allen Mitteln den Weg zurück in die Gesellschaft zu ermöglichen“, sagte De la Torre. Sie rechnet allein in ihrer Sprechstunde mit bis zu 30 Patienten pro Tag.

Derzeit arbeitet sie ebenso wie ihre sieben Mitarbeiter ehrenamtlich. Das Bezirksamt Mitte unterstützt die Einrichtung mit einem Psychologen. De la Torre hofft, dass der Verein „Aktion Mensch“ die Gehälter für zwei Krankenschwestern und einen Sozialarbeiter übernimmt. Der Antrag ist gestellt.

Eineinhalb Jahre haben die Umbauarbeiten in der ehemaligen Kindertagesstätte gedauert. Die Kosten für die Renovierung in Höhe von 300 000 Euro und den weiteren Betrieb des Zentrums finanziert die Stiftung ausschließlich durch Spenden. Der Bezirk überließ ihr das Gebäude für zehn Jahre. Eine weitere gute Nachricht überbrachte der „Lions Club Berlin-Kurfürstendamm“, der sozial karitative Einrichtungen fördert: Ein Mitglied hatte vor wenigen Tagen 150 000 Euro gespendet.

„Armut und Obdachlosigkeit dürfen nicht an den Rand gedrängt werden“, sagte gestern der Bezirksbürgermeister von Mitte, Joachim Zeller (CDU). Er werde die Einrichtung auch weiterhin unterstützen und um Spenden werben. Auch Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (Linkspartei/PDS) würdigte gestern das Engagement von De la Torre: „Diese Einrichtung zeigt, dass es um mehr geht, als nur Pillen und Pflaster zu verteilen.“

Jenny De la Torre, die ausgebildete Kinderchirurgin ist, wurde als erste Obdachlosenärztin Deutschlands bekannt. 1994 begann sie mit ihrer Arbeit in einer Obdachlosenpraxis am Ostbahnhof. Ihre Stiftung gründete sie 2002. De la Torre wurde mehrfach für ihre Arbeit ausgezeichnet.

Das Gesundheitszentrum befindet sich in der Pflugstraße 12 in Mitte, U-Bhf. Schwartzkopffstraße. Geöffnet hat es werktags von 8 bis 15 Uhr.

Lisa Garn

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