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Berlin: Mediziner-Gewerkschaft: Kliniken brechen Gesetze 60-Stunden-Woche verstößt gegen Arbeitszeitregeln. Pfleger protestieren gegen Überstunden

Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund erhebt schwere Vorwürfe gegen die Berliner Krankenhäuser. Rund 40 Prozent der vom Ärzteverband in der Stadt befragten Klinikärzte würden gesetzeswidrig zu langen Wochendiensten gezwungen.

Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund erhebt schwere Vorwürfe gegen die Berliner Krankenhäuser. Rund 40 Prozent der vom Ärzteverband in der Stadt befragten Klinikärzte würden gesetzeswidrig zu langen Wochendiensten gezwungen. „Selbst mit einer persönlichen Einwilligung des Arztes sind mehr als 60 Stunden Wochenarbeitszeit verboten“, sagte Gewerkschaftssprecher Athanasios Drougias am Mittwoch. Die Kliniken würden „gezielt das Arbeitszeitgesetz“ brechen. Einzelne Krankenhäuser nannte er nicht. Derartige Verstöße seien in fast allen Kliniken festgestellt worden.

„Durch den Stress sind Behandlungsfehler nicht ausgeschlossen“, sagte Drougias. Generell leisteten Berliner Ärzte mehr Überstunden als ihre Kollegen im Bundesdurchschnitt. Zwei Drittel bekämen die Überstunden nicht bezahlt. „Der Frust ist riesig“, sagte Drougias. Fast 60 Prozent der knapp 800 in der nach eigenen Angaben repräsentativen Umfrage befragten Ärzte hätten bereits erwogen, den Job zu wechseln. Nur 17 Prozent bewerteten ihre Arbeitssituation als gut.

Nach den Ärztestreiks 2006 habe sich die Lage der Mediziner zwar verbessert. Dennoch würden Klinikärzte, gemessen an ihren Arbeitszeiten von bis zu 80 Stunden in der Woche, zu wenig verdienen. Trotz Überstunden und Bereitschaftsdiensten bekäme ein Assistenzarzt häufig nur etwas mehr als 2100 Euro netto im Monat, beschweren sich Ärzte einer großen Berliner Klinik. Rund 7700 Klinikärzte gibt es in Berlin, davon gehören nach eigenen Angaben 60 Prozent dem Marburger Bund an.

Doch nicht nur Mediziner klagen über ihre Arbeitsbedingungen. Auf einer Veranstaltung von Tagesspiegel und dem Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) am Dienstag wurde deutlich: Auch Pfleger wollen sich gegen verschlechternde Arbeitsbedingungen wehren. In den kommenden Wochen soll es wegen des „massiven Personalmangels“ in den Kliniken zahlreiche Protestaktionen geben. Unbezahlte Überstunden und fehlende Pausen hätten dies nötig gemacht, sagte DBfK-Expertin Johanna Knüppel. Selbst die Pflegedienstleiterin des Universitätsklinikums Charité, Hedwig Francois-Kettner, ermunterte Pfleger und Schwestern dazu, sich stärker für ihre Interessen einzusetzen. Erst kürzlich hatten die Grünen im Abgeordnetenhaus kritisiert, dass es an der Charité und beim landeseigenen Krankenhauskonzern Vivantes im Pflegebereich zu wenig Fachkräfte gebe. Eine ausreichende Versorgung der Patienten sei dadurch kaum zu gewährleisten. Der Betriebsrat der Vivantes-Häuser will am 14. November mit einem „Pflegetag“ gegen den stärker werdenden Arbeitsdruck protestieren.

In einer Umfrage hatte ein Viertel der befragten Vivantes-Pfleger angegeben, wegen Überlastung regelmäßig keine „sichere Pflege“ leisten zu können. Das heißt: Eine Gefährdung der Patienten sei nicht ausgeschlossen. Mehr als 80 Prozent der 1000 befragten Pfleger gaben an, während der Schicht keine ungestörten Pausen nehmen zu können. Die Vivantes-Geschäftsführung machte die „Unterfinanzierung der Krankenhäuser“ für die Personalsituation verantwortlich.

In einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung heißt es, dass die Belastung für das Pflegepersonal bundesweit zunehme. Neben einem „Anstieg des Arbeitsaufwandes“ für Krankenpfleger sei vielerorts ein „Absinken der Möglichkeit, eine ausreichende Versorgung anzubieten“, zu erwarten. Hannes Heine

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