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Sehnsucht: Viele minderjährige Flüchtlinge sehnen sich aus der Unterkunft heraus. Manche verschwinden.

© dpa

Geflüchtete in Berlin und Brandenburg: Mehr als 200 minderjährige Flüchtlinge in Brandenburg verschwunden

Brandenburg vermisst 206 junge Flüchtlinge. Sie sind weitergezogen, meinen die Behörden. Auch in Berlin ist das Problem bekannt. Dort werden aber keine Zahlen erfasst.

Man zuckt zusammen. Es ist eine Meldung, die Aufsehen erregt: In Brandenburg sind 206 minderjährige Flüchtlinge verschwunden, die ohne Begleitung von Eltern nach Deutschland gekommen und aufgenommen worden waren. Diese Zahl hat jetzt das brandenburgische Innenministerium in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage veröffentlicht.

Danach handelt es sich vorwiegend um junge Afghanen (89), Somalier (30) und Syrer (26), die tatsächlich von der Polizei aktuell als "vermisst" geführt werden. Die meisten davon sind Jugendliche. Aber es sind auch 13 Kinder darunter, also jünger als 14 Jahre alt, die in den Unterkünften lebten, aber dann plötzlich weg waren. Auskunft zu Geschlechtern gibt die Statistik wiederum nicht. Ein Skandal? Anhaltspunkte, gar Belege, dafür gibt es nicht. Es ist wohl vielmehr, da sind sich die Behörden einig, eine Begleiterscheinung der Flüchtlingskrise, bei deren Bewältigung auch viel durcheinander geht.

Das Problem ist auch in Berlin bekannt

Es handele sich bei vermissten Minderjährigen um ein bundesweites Phänomen, betonte Innenministeriumssprecher Ingo Decker am Montag gegenüber dem Tagesspiegel. Man sehe da auch keine "besonderen Auffälligkeiten Brandenburgs". Und es gebe auch "keine konkreten Hinweise", dass das Verschwinden der Minderjährigen gar mit Straftaten zu tun haben könnte.

Tatsächlich waren nach jüngeren Angaben des Bundeskriminalamtes bundesweit – mit Stand September 2016 – 9002 unbegleitete minderjährige Zuwanderer - bei der Polizei als "vermisst" geführt. So ist das Problem auch in Berlin nicht unbekannt. Aktuelle Zahlen gibt es hier bisher nicht. Die letzte betrifft das Jahr 2015, da waren nach einer Bundestagsdrucksache in Berlin 25 minderjährige Flüchtlinge als "vermisst" gemeldet. Ein Jahr vorher, also vor der Flüchtlingskrise, hatte das Problem in Brandenburg (6 Fälle) und Berlin (4 Fälle) noch kaum eine Rolle gespielt.

Das BKA, aber auch Brandenburgs Behörden gehen davon aus, dass sich viele junge Flüchtlinge weiter auf den Weg gemacht haben, um Eltern, Verwandte oder Bekannte anderswo in Deutschland oder im europäischen Ausland zu suchen. Zudem komme es zu Mehrfachregistrierungen, wenn sie weiterziehen und sich am nächsten Ort wieder bei Behörden melden. "Und es gibt ja keinen Grund, sich nicht zu melden, davon hängen schließlich Unterkunft, Verpflegung, Sozialleistungen ab", sagt Decker. Man gehe rechne daher damit, dass sich das Phänomen um diese Zahlen aufkläre, je mehr bundesweit auch die Registrierung von Flüchtlingen - mit Fingerabdrücken - in geordnete Bahnen komme.

AfD-Abgeordneter Jung kritisiert die Integrationspolitik

Brandenburg hat voriges Jahr 28.000 Flüchtlinge aufgenommen, 8700 sind es bisher 2016. Angekommen waren ursprünglich mehr. Und neben regulären Umverteilungen innerhalb Deutschlands kam es häufig vor, dass Asylbewerber in den Einrichtungen nur kurz blieben, auf eigene Faust weiterzogen. "Sie sind individuell im Bundesgebiet weitergereist", sagt Decker sagt. Diese Wanderbewegung betreffe Erwachsene, aber eben auch unbegleitete Minderjährige. Davon sind inzwischen 1530 nach Brandenburg gekommen, vorigen Herbst waren es noch 649. Untergebracht werden die Kids nicht in Flüchtlingsunterkünften, sondern Einrichtungen der Jugendhilfe.

Die parlamentarische Anfrage über "vermissten Flüchtlingskinder" hatte die AfD-Fraktion im Landtag gestellt. Und der AfD-Abgeordnete Thomas Jung kritisierte prompt: "Aufgeklärt wurde von diesen Fällen kein Einziger. Das ist kein Ruhmesblatt für eine funktionierende Integrationspolitik." Dagegen sehen weder Innenministerium, noch Bildungsministerium Versäumnisse bei den Heimen, in der Aufsicht über die Kinder und Jugendlichen. "Es sind offene Einrichtungen, keine Gefängnisse", sagt Ralph Kotsch, der Sprecher des Bildungsministeriums. Und Decker sagte: "Niemand kann sie einsperren. Und niemand will sie einsperren." (mit axf/sdz)

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