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Berlin: Mehr Geld fürs Buch: Höhere Gebühren für die Nutzung öffentlicher Büchereien?

Zigaretten werden teurer. Für Benzin muss man mehr bezahlen.

Zigaretten werden teurer. Für Benzin muss man mehr bezahlen. BVG-Tarife werden immer wieder erhöht. Die Wasserwerke fordern mehr, ebenso macht es die Bank. Und jetzt will die öffentliche Hand womöglich die Gebühren bei den Büchereien anziehen. Soll sie doch. Damit kann man leben. Denn derzeit zahlen die Nutzer der öffentlich angeschafften Bücher und Magazine, Videos und Schallplatten, CDs und Internetangebote 20 Mark. Nicht in der Woche. Auch nicht im Monat. Nein: für ein ganzes Jahr. 20 Mark geteilt durch 365, das macht exakt 0,0547945 Pfennig pro Tag. Und das auch nur für berufstätige Bibliotheksgänger, von denen einige den gleichen Betrag an der Tankstellenkasse ohne mit der Wimper zu zucken für eine Flasche Wein und eine Packung Kaugummi hinlegen. Denn wer noch zur Schule geht oder Sozialhilfe bezieht, kann ohnehin gratis ausleihen.

Mag ja gut sein, werden andere jetzt meckern. Aber meine Steuergelder! Und außerdem: Büchereien. Wer geht da noch hin? Viele! Leute, die nur mal in eine CD reinhören, sich mit einem Reisevideo auf den Urlaub einstimmen, dank fremdsprachiger Bücher alte Kenntnisse auffrischen wollen. Und ganz nebenbei noch die Atmosphäre etwa in der Gedenkbibliothek schnuppern, mit allerlei Zufallsbekanntschaften.

Verschont diejenigen, die besonders knapp bei Kasse sind, von einer Gebührenerhöhung, aber nehmt es von den anderen. Kassiert 25, 30 oder von mir aus auch 50 Mark für 365 Tage öffentlichen Lesespaß. Darüber kann sich keiner mockieren. Denn manch einer zahlt an der Kasse ein Vielfaches des Jahresbeitrages an Überziehungsgebühren. Annette Kögel

Gedankenspiele um Aufstockung der Gebühren für Bibliotheks-Benutzer sind ungebührlich! Schlimm genug, dass seit zwei Jahren Eintrittsgeld erhoben wird. Es ist verdammte Pflicht und Schuldigkeit der Berliner Politik, einen UNESCO-Grundsatz zu verwirklichen, wonach die Bibliothek leicht zugänglich zu sein habe, deren Türen allen Mitgliedern der Gesellschaft offenstehen müssten. Wer Eintrittsgeld fordert, schließt viele aus. Selbst wenn alle Bibliotheksleiter und Benutzer zum Brandenburger Tor marschierten, machte das auf unsere herrlichen Kulturpolitiker weniger Eindruck als das drohende Gefuchtel ach so international renommierter Operngeneräle mit ihren dünnen Stäbchen. Wir leben in einer Show-Kultur. Umberto Eco hat mal das herrliche Bild "lustvoller Bibliotheken" gezeichnet und sich dabei sogar auf Vorbilder berufen: auf Toronto und Yale. Da ist kein Pieps von Eintrittsgeld die Rede, vielmehr von jederzeitigem, unmittelbaren Zugriff auf sämtliche Bücher auch im Magazin; von einer "großen Freizeitmaschine" sprach er. Utopie? "Wenn man darauf verzichtet, sich vorzustellen, wie etwas hätte sein können, verzichtet man auf die Vorstellung einer besseren Möglichkeit überhaupt" (Alfred Andersch: "Winterspelt"). Lesen ist nicht nur Genuss, sondern auch ernstes Lernen. Es sind naturgemäß junge Menschen, die sich lernend hinter Bücher klemmen, und auch alte, die im Ruhestand nicht rosten wollen. Sie haben in der Regel wenig Geld. E. T. A. Hoffmanns "Kater Murr" hatte weitsichtige Ansichten, bis in unsere Show-Kultur: "Je mehr Kultur, desto weniger Freiheit". Freier Zutritt zu Bibliotheken! Ekkehard Schwerk

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