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Berlin: Mein Sohn, ein Neonazi?

In Hohenschönhausen gründet sich heute eine Elterninitiative

Mit den Haaren fing es an. Die ließ er sich eines Tages an den Seiten abrasieren, nach Machart der Nazis. Es folgten Stiefel, einschlägig bekannte Klamotten, ausländerfeindliche Sprüche, und für Monika Gehlen (Name geändert), seine Mutter, begann eine schwere Zeit. „Ich war ziemlich erschlagen.“

Für viele Eltern ist es ein Schock, wenn ihr Kind erste Symptome von rechter Gesinnung zeigt. Monika Gehlen aus Lichtenberg durchlebte verschiedene Phasen. „Zuerst dachte ich, alles falsch gemacht zu haben.“ Doch es fand sich beim Nachdenken nichts Konkretes. Aus Scham traute sie sich nicht, ihr Problem in der Schule oder im Freundeskreis anzusprechen. „Ich dachte, die Lehrer würden sich melden, wenn etwas nicht stimmt.“ Taten sie aber nicht.

Sie musste den ersten Schritt gehen und sprach den Vertrauenslehrer ihres Sohnes an. Der sagte, ein Problem mit Rechtsradikalen gebe es an der Schule nicht, aber dass ihr Sohn sich anders kleide, sei schon aufgefallen. Im Übrigen sei er „geschichtlich sehr engagiert.“ Das war’s.

Monika Gehlen blieb mit ihrem Problem allein. Sie versuchte, mit ihrem Sohn über Ausländerfeindlichkeit zu diskutieren, über die Verbrechen der Nazi-Zeit und über seine rechten Kumpel. Das funktionierte ganz gut, war aber zugleich sehr anstrengend. Erst als sie ihm verbot, seine rechten Klamotten weiterhin anzuziehen, gab es für einige Zeit Funkstille zwischen Mutter und Sohn. „Er strafte mich mit Nichtachtung.“

Auch diese Phase ging vorüber, und inzwischen hofft Monika Gehlen, das Schlimmste überwunden zu haben. Die Sprüche wurden seltener. Die Anmeldung in einem Sportverein brachte neue Freunde. Das Verhältnis zwischen Mutter und Sohn entspannte sich. Ob er noch Kontakt zur rechten Szene hat, will Monika Gehlen nicht ausschließen. „Ich will ihm aber auch nicht nachspionieren. Er muss selbst seinen Weg finden.“

Obwohl sich ihre persönliche Lage verbessert hat, will Monika Gehlen zusammen mit einer weiteren Mutter eine Initiative betroffener Eltern gründen. „Wir wollen Erfahrungen austauschen und unser Wissen weitergeben.“ Solche Initiativen sind eher selten und finden meist im Verborgenen statt, weil sich viele Eltern nicht trauen, das Problem offen anzusprechen.

Uwe Hundt, Vorsitzender des Gesamtpersonalrats der Polizei, gründete vor einigen Monaten eine Elterninitiative in Rudow, wo es wie in Lichtenberg-Nord eine offene rechte Jugendszene gibt. Eltern rechtsorientierter Jugendlicher seien allerdings nicht dabei, sagt Hundt, eher Leute, die sich auch in anderen Initiativen engagieren. Hundt wird wegen seines öffentlichen Engagements immer wieder mit rassistischen E-Mails aus der rechten Szene beliefert – solche Methoden der Einschüchterung schreckten viele Eltern ab, sich offen gegen rechte Umtriebe zu stellen, meint Hundt.

Der Verein „Exit“ bietet für betroffene Eltern Beratung und die Vermittlung in Selbsthilfegruppen an. Die Resonanz sei bundesweit sehr unterschiedlich, sagt Ulrike Hofmann von Exit. „Besonders gut läuft es in Bayern. In Ostdeutschland sieht es eher mager aus. Woran das liegt, wissen wir nicht.“ Ein Grund ist vielleicht der Dokumentarfilm „Mein Sohn, der Nazi“, der vor zwei Jahren Furore machte. Schauplatz war Niederbayern.

Die Elterninitiative gründet sich am heutigen Montag um 19 Uhr in den Räumen von „Licht-Blicke“, Ahrenshooper Straße 7, Tel. 99270555. Dort ist auch eine Broschüre für betroffene Eltern erhältlich. „Exit“ ist unter 0173-973-8386 zu erreichen.

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