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Gute Figur. Machte Reglindis ihre Spende zum Bau des Naumburger Doms steuerlich geltend? Einem Steinmetz gelang jedenfalls das erste Lächeln in der deutschen Plastik.

© picture-alliance/ ZB

Mein Wille geschehe: Anleitung zum Stiftengehen

Stifter können ihr Geld gezielt einsetzen – und Steuern sparen. Eine Anleitung zum Stiftengehen

Zum Dank in Stein gemeißelt, hoch oben im Westchor platziert, an der Stelle, wo sonst die Heiligen stehen: Wenn die Menschen heute zum Naumburger Dom pilgern, wollen die meisten von ihnen die berühmten Stifterfiguren sehen, zwölf steinerne Bildnisse der Personen, die das Geld für den Bau gegeben haben. Kann ein Stifter mehr erreichen?

Eine Möglichkeit, sich zu verewigen

Eine Stiftung zu gründen, sagt man, sei heute die beste, langlebigste und obendrein steuergünstigste Möglichkeit, sich zu verewigen. Das Gemeinnützige heißt jetzt der „Dritte Sektor“ und ist eine volkswirtschaftliche Größe geworden. Stiften gehen nicht mehr nur Markgrafen, sondern die Erbengeneration. Das Ziel ist nicht der Gewinn. Oder besser: der Gewinn ist in Zahlen nicht auszudrücken. 60 Prozent der deutschen Stiftungen tragen den Namen der Stifter. Das Deutsche Stiftungszentrum formuliert: „Stiftungen vollenden Lebenswerke, sie sind für die Ewigkeit bestimmt.“

Denn Stiftungen sind eine Möglichkeit, sein Geld auf immer dem eigenen Willen zu überantworten. Es muss nicht einmal der letzte sein. Man kann zum Beispiel zu Lebzeiten am Potsdamer Platz im Beisheim-Center den holzgetäfelten Aufzug nehmen, in das Büro von Katharina Gollan von der Kanzlei Pöllath und Partner im 16. Stock. Dort erklärt die Expertin für Stiftungswesen, dass es vor allem steuerlich gar nicht so sinnvoll ist, „von Todes wegen“ zu stiften, „denn das Spendenabzugspotenzial ist nicht vererblich“. Zu Gollan kommen Unternehmer, die nach ihrer Pensionierung noch mild tätig sein wollen, es klingeln aber auch junge Erben.

Deutschland hat schon 18162 Stiftungen

Stiften wird von Politikern begrüßt, von Steuerberatern empfohlen, von Juristen begleitet, von Banken beraten. Deutschland hat 18 162 Stiftungen, allein im Jahr 2010 wurden 824 neu gegründet. Der Zweck schützt die Mittel, zumindest vor dem Finanzamt.

Katharina Gollan stellt dann ihre Fragen: Will der Stifter mehr einbringen in die Stiftung als sein Geld? Gibt es – zum Beispiel bei einem Forschungszweck – bereits Fachwissen? Kann der Stifter die Stiftung persönlich führen? Soll es eine operative Stiftung sein, die eigene Programme durchführt, oder eine fördernde, die die Projekte anderer unterstützt? Muss es überhaupt eine Stiftung sein und was für Alternativen gäbe es? Wenn der Stiftungszweck noch nicht genau ausgefeilt ist, rät Gollan eher zu einer gGmbH, einer gemeinnützigen GmbH, da kann man den Zweck erst einmal erproben und im Nachhinein leichter anpassen. 69 Prozent aller Stiftungen werden von Privatpersonen gegründet, 32,7 Prozent für soziale Zwecke.

Eine Million Euro kann steuerlich geltend gemacht werden

2007 bewirkte eine Gesetzesänderung einen Gründungsboom: Eine Million Euro konnten fortan auf einmal in eine Stiftung eingebracht und über zehn Jahre steuerlich geltend gemacht werden. Es war, als hätten die Millionäre Deutschlands nur darauf gewartet. Das deutsche Stiftungszentrum lockt auf seiner Webseite: „Die Ersparnisse bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie der Einkommen- , Körperschaft- und Gewerbesteuer können dazu führen, dass der weitaus überwiegende Teil der Stiftungsdotation aus Steuerersparnissen finanziert werden kann.“

Das heißt, die Stiftung kostet einen: nichts? „Nein,“ sagt Gollan. „Man muss schon auch etwas geben.“ Von einem Teil seines Vermögens muss man sich endgültig trennen. Die kleinsten Stiftungen fangen bei 50 000 Euro an, das ist in der Regel das Minimum. „Im Stiftungsrecht sprechen wir von einer Ewigkeitsgarantie“, sagt Gollan. „Eine Stiftung muss dauernd und nachhaltig die Verwirklichung des Stiftungszwecks sicherstellen.“ Dafür gibt es einen gesetzlichen Rahmen, einen festgezurrten Zweck, staatliche Kontrolle und eine risikoarme Anlagestrategie.

Die wird auch dadurch garantiert, dass nach deutschem Recht das Vermögen selbst nicht angetastet werden darf. Nur Erträge und eventuelle Spenden werden benutzt, um das Ziel zu erreichen. Das Stiftungskapital wird unantastbar. Aber es sieht auch plötzlich sehr klein aus: Beim jetzigen Zinsniveau von etwa 1,5 Prozent liegt der Ertrag von 50 000 Euro Stiftungskapital bei läppischen 750 Euro.

Formulare besorgen und loslegen - ganz so einfach ist es nicht

Rechtlicher Rat bei der Gründung ist nicht vorgeschrieben. Theoretisch könnte man sich auch selbst die Formulare besorgen, einen Stiftungszweck formulieren und mit dem Finanzamt und der Stiftungsbehörde die Details besprechen. In Berlin ist das die Stiftungsaufsicht der Senatsverwaltung für Justiz.

Je mehr Stiftungen gegründet werden, desto fraglicher wird eine Neugründung. „Vielleicht“, sagt Gollan, „gibt es längst eine Stiftung, die genau das fördert, was einem am Herzen liegt?“ Man könnte dann einer bestehenden Stiftung zustiften.

Es gibt ja die kuriosesten Stiftungen. Sie heißen wie Ehepaare und sie verfolgen deren Spleens, das ist das Charmante. Ein Professor unterstützt die Aktivitäten des Lehrstuhls, den er lange innehatte. Die Gekko Stiftung unterstützt „politische Kampagnen, die Widerstand leisten gegen die Einführung der Agro-Gentechnik“. Stiftungen fördern spezifische Gebiete, die nicht den gesellschaftlichen Konsens erreichen, den man bräuchte, um Steuergelder zu verwenden.

Es entsteht ums das Stiften eine ganze Industrie

Und weil hier oft zuerst das Geld da ist und dann die Idee, entsteht gerade um das Stiften eine ganze Industrie. Es gibt Weiterbildungsinstitute, Berufsbilder, eine Fachsprache („Social Franchising“) bildet sich aus. Zugleich wird ein Überblick über die verschiedenen Initiativen immer schwieriger, weshalb man zum Beispiel eine vierbändige Publikation mit 19 000 Stiftungsporträts für 279 Euro erwerben kann. Und die gemeinnützige Phineo gAG analysiert und bewertet ihrerseits auf ihrem Internetportal andere Stiftungen.

Katharina Gollan hat noch nie erlebt, dass eine Stiftung aufgelöst werden musste. „Denkbar ist es bei Erreichen des Stiftungszwecks“, sagt sie. Wenn etwa zur Erforschung einer Krankheit gestiftet wird und dann das Medikament gefunden ist. Oder wenn einer Stiftung für Stasi-Opfer die Bedachten eines natürlichen Todes sterben. Deshalb sollte man schon bei der Gründung eine weitere Verwendung für das Geld festschreiben.

„Ich glaube nicht, dass Leute stiften, um Lücken zu füllen, die der Staat lässt“, sagt Gollan. Wollten sie den Staat unterstützen, könnten sie stattdessen Steuern zahlen. Der Reiz der Stiftung ist eben die Selbstbestimmung. Denn sie kehrt ein Machtverhältnis um: Der Stifter bestimmt nun den Zweck, der Staat muss über dessen Einhaltung wachen.

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