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Meine Woche (35): Stolz

Der Syrer Ahmad Al-Dali, 25, ist seit Mai 2015 in Berlin. Hier erzählt er, wie ihm die Stadt begegnet.

Ahmad, die Fußball-EM hat begonnen!

Ja, ich bin so aufgeregt!

Wirklich?

Nein. Ganz ehrlich: Ich finde Fußball super-langweilig.

Waren Sie noch nie bei einem Fußballspiel im Stadion?

Doch, aber mein bester Freund Bartl hat mich dazu gezwungen. Ich musste sogar das Ticket zahlen. Hertha BSC gegen Bayern München. Eigenartig: Hertha hat verloren, aber die Fans waren trotzdem glücklich – über einen einzigen erfolglosen Torschuss von ganz weit weg.

Und früher in Syrien, haben Sie dort nie Fußball geschaut?

Manchmal, wenn meine Freunde zum Beispiel Barcelona gegen Real Madrid laufen hatten. Alle haben die Teams angefeuert und sind auf und ab gesprungen, und ich wollte nur weg.

Dann werden Sie sich in den nächsten Wochen auch keine EM-Spiele anschauen?

Wahrscheinlich nicht. Außer mein Freund Bartl zwingt mich wieder.

Während der EM-Zeit regt sich bei manchen Deutschen ein wenig der Nationalstolz. Können Sie das verstehen?

Ich kann eigentlich weder verstehen, dass man sagt „Ich bin stolz auf mein Land“, noch dass man sagt „Ich bin stolz auf unsere Nationalmannschaft“.

Warum?

Es ist nur Glück, wenn man zum Beispiel in Deutschland geboren wurde. Und in der Nationalmannschaft spielt man auch nicht mit, man schaut nur zu, leisten tut man nichts. Stolz kann ich sein, wenn ich durch Arbeit etwas erreicht habe. Auf Arabisch heißt „Stolz“ übrigens: fakher.

Finden Sie es toll, dass das deutsche Team so gemischt ist, dass viele Spieler einen Migrationshintergrund haben?

Das ist schön, klar. Aber es bildet doch nur die gesellschaftliche Realität ab.

Die Fragen stellte Maria Fiedler.

Diese Kolumne ist gedruckt in der Tagesspiegel-Samstagsbeilage Mehr Berlin erschienen. Alle Folgen finden Sie unter diesem Link.

Ahmad Al-Dali

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