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Berlin: Mentalität – die große Mode

Brigitte Grunert über die Sprache der Politiker

Klaus Wowereit hat sich viel vorgenommen. Seit er Regierender Bürgermeister ist, will er die Mentalität der Berliner oder wenigstens der Berliner Politiker ändern. Kann man überhaupt eine Mentalität ändern? Er müsste wohl eine halbe Ewigkeit die Geschicke dieser Stadt lenken, um das zu schaffen. Aber eines hat er erreicht: Sein Lieblingswort Mentalität taucht immer häufiger im politischen Sprachgebrauch auf.

Zu Beginn seiner Amtszeit vor bald fünf Jahren mahnte Wowereit immerfort zum „Mentalitätswechsel“. Man war ganz irritiert, weil er nicht gesagt hat, was das zu bedeuten habe. Er ist oft sparsam mit Erläuterungen, direkt wortarm. Man musste also selbst dahinter kommen, dass er den strikten Sparkurs meinte, den er ja auch mit Bravour steuert. Seine neueste Variation ist nun die „Mentalität des Gelingens“, zu der er vor der Presse aufrief. Er wollte wohl zu besonderen Anstrengungen mit optimistischem Schwung ermutigen, damit es vorwärts geht in Berlin.

Vor dem Abgeordnetenhaus verkündete Wowereit am Donnerstag: „Diese Mentalität ist vorbei“, die „ alte Alimentationsstrategie, die hier lange gefahren wurde“. Warum müssen Politiker immer eine Strategie, also einen genauen Plan des eigenen Vorgehens, „fahren“? Doch das nur nebenbei. Bleiben wir beim Wort Mentalität, das offenbar ansteckend wirkt. „Das ist eben auch eine Strategie, die verändert werden muss“, meinte Sascha Steuer (CDU) an einem anderen Punkt der Parlamentsdebatten. Ramona Pop (Grüne) hatte die Mentalität bestimmter Ämter beim Wickel. So ist das eben mit den Schlagworten unserer Politiker, die ständig in Hast und Eile sind und sich im Stimmengewirr Gehör verschaffen wollen. Schlagworte passen in eine Schlagzeile und damit gut. Mag sich jeder seinen Vers darauf machen.

Mentalität kommt von lateinisch mens (Geist, Gesinnung) und bedeutet eine Geistes- und Gemütsart, eine spezielle Art des Denkens und Fühlens. Sie hat nach landläufiger Vorstellung mit dem Volkscharakter zu tun und ist tief verwurzelt. Die Süddeutschen haben eine andere Mentalität als die Norddeutschen. Und die Berliner Mentalität will uns sicher weder der Regierende Bürgermeister noch die Opposition austreiben. Wer neue Einsichten gewinnt, was von Zeit zu Zeit ratsam ist, muss deshalb noch lange nicht die Mentalität wechseln. Das geht sowieso nicht. Womöglich fehlt uns aber die Empathie, zu begreifen, was Politiker mit großen Worten bezwecken. Empathie gehört übrigens nicht erkennbar zu Wowereits politischen Lieblingsvokabeln. Darunter versteht man halt die Fähigkeit, sich in die Einstellung anderer hineinzufühlen, was immerhin nötig ist, will man Überzeugungsarbeit leisten.

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