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© Kleist-Heinrich

Mitte: Merkel war früher Hausbesetzerin

Einfach eingezogen: Heute ist sie Kanzlerin, früher war sie eine Hausbesetzerin. Angela Merkel wohnte in den illegal in der Marienstraße in Berlin-Mitte.

Elegante Cafes, frisch sanierte Fassaden und Geschäftsleute in teuren Anzügen, die mit dem Laptop auf dem Tisch ihr Mittagessen genießen. Die Marienstraße in Mitte ist eine noble Gegend. Zu Fuß sind es von hier nur fünf Minuten bis ins Regierungsviertel. Kaum vorstellbar, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel in jungen Jahren in dieser Straße als stille Hausbesetzerin gewohnt haben soll. Aber so hat sie es in einem Interview mit dem Magazin der Süddeutschen Zeitung erzählt. Im Haus Nummer 24, in dem die Kanzlerin ihr Zimmer gehabt haben will, ist es still. Vor allem Anwaltskanzleien und Büros sind in dem renovierten Altbau beherbergt.

„Angela Merkel als Hausbesetzerin? Nee, das kann ich mir bei der gar nicht vorstellen“, sagt ein ältere Dame, die seit zehn Jahren in der Marienstraße wohnt. „Aber weit zum Bundestag hätte sie es ja von hier aus nicht gehabt.“ Die Bewohner des Hauses Nummer 24 haben von der prominenten ehemaligen Wohnungsnachbarin schon öfter gehört. „Mich überrascht die Geschichte überhaupt nicht“, sagt eine Mieterin. Schon im vergangenen Sommer hätten Passanten sie darauf angesprochen, dass sie vielleicht in der gleichen Wohnung wie damals die Kanzlerin wohnen würde. „Ob das aber wirklich stimmt oder nur ein Gerücht ist, kann ich nicht sagen.“ Hausmeister Frank Schmidt ist sich hingegen sicher: „Ja, die Merkel hat hier gewohnt“. Zumindest habe er das von einem ehemaligen Mieter gehört. Mittes Stadtrat Joachim Zeller (CDU), selbst in der DDR aufgewachsen, kann das nur bestätigen. „Das haben damals Tausende gemacht – ich auch.“

Zu DDR-Zeiten war die Marienstraße heruntergekommen, die Häuser marode. Niemand wollte hier wohnen. Das war das Glück von Merkel. Als sie Ende der 70er Jahre nach dem Studium von Leipzig nach Berlin kam, habe die staatliche Wohnungsverwaltung ihr keine Bleibe zugewiesen, sagte Merkel dem Magazin. Aber so einfach war es nicht, in die DDR-Hauptstadt umzuziehen. Ohne Arbeit keine Wohnung und ohne Wohnung keine Arbeit, hieß es von den Behörden. Daher sei sie kurzerhand mit ihrem ersten Mann Ulrich in eine leer stehende Wohnung in der Marienstraße eingezogen. „Das war aber nun wirklich nichts Politisches“, betonte Merkel. „Die DDR rechnete fast mit der Fähigkeit vieler, ihr Wohnproblem ’kreativ’ zu lösen, weil es einen unglaublichen Mangel an Wohnraum gab und ein großes Durcheinander in der Wohnungsverwaltung.“ Verlassene Wohnungen habe es zu dieser Zeit in Ost-Berlin viele gegeben. „Das habe ich genutzt, einfach aus der Not heraus“, sagte die Kanzlerin. Ganz so radikal, wie die West-Berliner Hausbesetzer war Merkel aber nicht. Die lieferten sich zu der Zeit Straßenschlachten mit der Polizei und dachten gar nicht daran, Miete zu bezahlen. Die Kanzlerin hingegen überwies jeden Monat pünktlich ihre Miete an die Verwaltung. „Jedes Geld wurde damals gern genommen.“ Später zog Merkel in die Templiner Straße. Erst dort schaffte sie schließlich mit einem offiziellen Eintrag ins Melderegister den Schritt in die „Legalität“.

In West-Berlin war zu diesem Zeitpunkt die Hausbesetzerbewegung gerade in vollem Gange. Bereits 1971 wurde das damals leer stehende Krankenhaus Bethanien am Mariannenplatz in Kreuzberg besetzt, Ende der 70er Jahre gehörten besetzte Häuser zum Stadtbild. Das damals in Georg-von-Rauch-Haus umbenannte Bethanien-Gebäude gibt es auch heute noch – inzwischen ganz legal mit Nutzungsvertrag.Johannes Radke

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