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Nix wie weg. Diese jungen Damen probieren sich als Meerjungfrauen.

© Bäderbetriebe

Mermaiding in Berlin: Mädchen werden zu Meerjungfrauen

Die Bäderbetriebe bieten neuerdings auch Schwimmkurse für Meerjungfrauen an – ein Trend aus den USA. Was aussieht wie ein Disney-Traumbild, entpuppt sich als echter Sport.

Auf See hat er lange danach gesucht, immer Ausschau gehalten, erfolglos. Und dann das, hier, mitten in Schöneberg! Meerjungfrauen überall! Der ehemalige Seemann, der seinen Namen lieber für sich behält, schmunzelt: „Vielleicht mache ich nächstes Mal auch mit.“ Er ist mit seiner Tochter Anna, zehn Jahre, gekommen, denn die hatte zum Geburtstag nur einen Wunsch: Meerjungfrau sein. In den USA ist das sogenannte „Mermaiding“ schon ein Trendsport, nun hat es auch Berlin erreicht. Seit November bieten auch die Berliner Bäderbetriebe an zwei Standorten Unterricht im „Meerjungfrauenschwimmen“ an.

„Ich habe mir zum Geburtstag ein Meerjungfrauenkostüm gewünscht“, erzählt Anna. Sie ist schon lange Fan von Meerjungfrauen und kennt alle Staffeln der australischen Fernsehserie „H2O – Plötzlich Meerjungfrau“. Von den Eltern bekam sie zum Kostüm noch den einstündigen Einsteigerkurs im Schöneberger Stadtbad Hans Rosenthal geschenkt. Dort und am Spreewaldplatz gibt es nun regelmäßige Schnupperkurse.

Was zunächst aussieht wie fleischgewordene Disney-Fantasie und Horrorvorstellung von emanzipierten Eltern, entpuppt sich als echter Sport. Denn so eine Flosse wiegt vollgesogen rund vier Kilo und muss erst einmal bewegt werden. Doch natürlich geht es auch ums Äußere, sonst wären die Gummischwimmflossen nicht mit buntem Stoff überzogen, sonst hätten die Mädchen nicht passende Bikinis an und bunten Blumenschmuck im Haar.

Den hat Sabine Schönborn, Leiterin der Schwimmkurse, mitgebracht. „Die Kinder sollen in eine Fantasiewelt abtauchen“, sagt die 34-Jährige. Im März dieses Jahres begann sie, in ihrer Leipziger Schwimmschule „Mermaiding“ zu unterrichten. Zuvor hatte sie zusammen mit einem Fotografen Unterwasser-Fotoshootings von Kleinkindern in Fisch- oder Froschkostümen angeboten. „Viele Mütter fragten dann nach Kostümen für die großen Mädels.“ Im Internet fand Schönborn einen Hersteller für Meerjungfrauenkostüme und bestellte drei, für sich und ihre beiden Töchter. Die Idee, mit dem Kostüm auch zu schwimmen, fand sie super und probierte gemeinsam mit ihren Töchtern aus, was man mit einer Schwimmflosse im Wasser alles machen kann.

Nix vergessen? Zum „Mermaiding“ gehört natürlich auch das Kostüm: Mit Flosse, passendem Bikini und Blumenschmuck. Das ist es, was gerade viele Mädchen daran reizt. Es sollen aber auch Jungs mitmachen.
Nix vergessen? Zum „Mermaiding“ gehört natürlich auch das Kostüm: Mit Flosse, passendem Bikini und Blumenschmuck. Das ist es, was gerade viele Mädchen daran reizt. Es sollen aber auch Jungs mitmachen.

© Oliver Wolff/promo

Und das ist einiges. Nicht nur, dass man mit einer Schwimmflosse hohe Geschwindigkeiten erreichen kann – mit zwei Flossenschlägen kommt man bis zum vier Meter tiefen Beckengrund –, man kann ganze Choreografien einstudieren. Anna lernt beim Einsteigerkurs aber erst einmal die wellenförmigen Bewegungen kennen, mit denen man sich unter Wasser vorwärts bewegt. Sie hat Glück: Ihre Schwanzflosse passt perfekt. Beim ersten Training rutscht die bei manchen Meerjungfrauen nämlich noch ab. Meerjungfrau wird man eben doch nicht plötzlich.

Die Flosse fühlt sich am Anfang noch „merkwürdig“ an, finden die sechs Mädchen, die beim Einsteigerkurs mitmachen. Doch nach einigen Übungen am Beckenrand trauen sich die ersten bereits zu tauchen. Sogar die Rückwärtsrolle gelingt mit Sabine Schönborns Hilfe. „Ich find’s toll, das Tauchen macht am meisten Spaß“, sagt Anna bei einer kurzen Pause am Beckenrand. „Vielleicht wird sie doch noch ein Seemann“, sagt Annas Vater schmunzelnd. Oder er zur Meerjungfrau. Denn auch wenn es eher nach weiblicher Zielgruppe klingt – Männer seien herzlich willkommen, sagt Schönborn. Sie freut sich über interessierte Jungen und Männer aller Altersgruppen. Im Dezember seien zwei Jungs beim Schnuppertraining dabei gewesen, es habe auch schon 60-jährige Meerjungmänner gegeben. Schließlich sei es Ganzkörpertraining, das Kraft und Ausdauer erfordert – und offensichtlich ziemlichen Spaß macht.

„In den USA gibt es Mermaiding schon seit mehreren Jahren“, sagt Schönborn. In Deutschland finden sich dagegen nur wenige Menschen, die Meerjungfrauenschwimmen anbieten. Deswegen pendelt Schönborn für ihre Kurse ein Mal wöchentlich von Leipzig nach Berlin. Im Moment bildet sie zwei Trainerinnen aus, die im nächsten Jahr selbst Kurse geben können. Beim Workshop für Fortgeschrittene zeigt Schönborn auch, wie man sich wasserfest schminken kann, und bastelt Blumen und Perlenschmuck. Dazu gibt es dann auch ein Fotoshooting im Meerjungfrauenlook, unter Wasser natürlich.

Die sechs Seejungfrauen mit ihren pinken, blauen, gelben und türkisen Flossen ziehen die Blicke aller Badegäste auf sich. Am Ende der Stunde sind sie ziemlich erschöpft. Wenn eine Meerjungfrau dann elegant in die Tiefe abtaucht und dabei mit ihrer Flosse schelmisch aufs Wasser platscht, heißt das übrigens: Tschüss!

Alle Infos der Berliner Bäderbetriebe gibt es hier.

Jana Scholz

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