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ZOB

© Uwe Steinert

Messedamm: Noch längst kein alter ZOB

Der Zentrale Omnibusbahnhof am Messedamm meldet steigende Fahrgastzahlen – eine Trendwende. Vor über zehn Jahren sollte er abgerissen werden.

Der junge Mann strahlt: „Billiger geht’s doch nicht.“ Zwar gilt der angekündigte „Superaktionspreis ab 9 Euro“ für die einfache Fahrt nur nach Anmeldung, aber auch die 25 Euro „einfach“ oder die 41 Euro für die Hin- und Rückfahrt, die der Mann gestern Vormittag am Schalter bezahlt, sind günstig, „für die einfache Bahnkarte zahle ich mehr als das Doppelte.“ Der Angestellte arbeitet in Berlin, fährt zu seiner Familie und gehört zu denen, die auf den Busverkehr und auf den dazugehörenden Busbahnhof schwören.

Es werden offenbar immer mehr, gerade erst hat der Zentrale Omnibusbahnhof Berlin (ZOB) für 2007 mit 3,2 Millionen Passagieren ein Rekordergebnis gemeldet: 3,5 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Rund 63 000 Abfahrten und Ankünfte am Messedamm vermeldet das BVG-Tochterunternehmen. Von „Abholern “, die zum ZOB kommen, sind es jährlich sogar weit über eine halbe Million.

Am frühen Sonntagvormittag sind es allerdings nicht mal zehn „Abholer“, die in der Wartehalle mit 130 Sitzen auf Busse aus Kiew, Stettin und Zagreb warten. Gut 20 Leute steigen draußen in Busse nach Hamburg, Flensburg und Kopenhagen. Zwischen Gate 10 nach Kopenhagen und Gate 12 nach Tiraspol (Moldawien) steht, Warteposition 11, ein BVG-Bus mit einem sehr nahen und bescheidenen Ziel: Pfaueninsel. Bescheiden wirkt der ganze ZOB. Manche Besucher schimpfen, er wirke ungepflegt und Taxifahrer grollen, das Angeln im Landwehrkanal sei erfolgreicher als hier das Angeln nach Fahrgästen. Nur zehn Prozent nutzen das Taxi, die meisten die U-Bahn. Die Rekordzahlen des ZOB machten sich jedenfalls nicht bemerkbar. Der Toilettenmann ist auch nicht zufrieden, schimpft auf die Kundschaft, vor allem auf busfahrende Fußballfans, die sich hier nicht zu benehmen wüssten. Aber an diesem Sonntag hat er nicht zu klagen. Es ist von einer bemerkenswerten Stille auf dem Gelände. Von den fast 40 Abfahrtpositionen sind nur drei von Bussen besetzt. An den meisten Gates der elektronische Hinweis: „Zur Zeit keine geplante Abfahrt.“ Die Anzeigetafel in der Wartehalle aber zeigt gleichzeitig für die nächsten vier Stunden 24 Ab-und Ankünfte an, etwa von oder nach Budapest, Oslo, Bukarest, Stettin, Danzig, Kiel oder ganz einfach in die „Slowakei“. Um diese Zeit dominieren der Norden, Osten und Südosten Europas die Anzeigetafel. Morgens und abends ist es wirklich voll, wenn die Linienbusse nach Frankfurt und München oder Düsseldorf in Position stehen oder– was besonders bei Älteren beliebt ist – der Verkehr von oder nach Bad Sachsa im Harz anrollt. Rund 350 Zielorte in Deutschland und Europa werden angesteuert, von Ahlbeck bis Zwiesel fährt der „Berlin Linien Bus“, lässt auch London, Paris und Moskau nicht aus. Die Namen der Veranstalter heißen Gullivers, Sindbad, Euromed, Wörlitz-Tourist, Autokraft oder sie klingen altvertraut wie Haru und Bayern-Express, die schon Linie zwischen West-Berlin und Westdeutschland fuhren, als sich der Busbahnhof noch – sehr provisorisch – bis 1966 unter freiem Himmel am Stuttgarter Platz präsentierte. Zwei Jahre zuvor war für den neuen Busbahnhof zwischen Messedamm und Masurenallee der Grundstein gelegt worden, zusammen mit dem heutigen Ibis-Hotel, beides entworfen vom Architekten Fritz Gras. Rund 500 Busse sollte der Bahnhof am Tag verkraften, nebenan war ein Parkplatz für 200 Autos vorgesehen. Aber die Entwicklung des Busverkehrs war zu optimistisch eingeschätzt worden, statt des Parkplatzes entstand eine Tankstelle und eine Autowaschanlage.

Anfang der neunziger Jahre – der ZOB war zuvor instandgesetzt und modernisiert worden – wurden „nur“ 1,8 Millionen Fahrgäste gezählt. In dieser Zeit war geplant, den Busbahnhof und das Hotel abzureißen und in einen milliardenteuren Büro- und Geschäftshaus-Komplex der schwedischen Skanska-Gruppe einzubeziehen. Das „Teleport“-Projekt sollte die größte Nachkriegsinvestition werden, der Busbahnhof auf der anderen Seite des Messedamms entstehen, nur etwa halb so groß sein. Die Senatsverkehrsverwaltung meinte, einen Zentralen Busbahnhof gebe es dann eben nicht mehr, „wie in anderen Weltstädten auch.“ Aber die Teleport-Pläne zerplatzten. Bahnhof und Hotel waren gerettet.

Immer wieder gab es Vorstellungen, den ZOB aufzufrischen, die elektronische Busanzeige-Tafeln sind sichtbarstes Zeichen dafür. Ansonsten wirkt die Anlage in die Jahre gekommen und nicht gerade weltstädtisch, wenn beispielsweise der „Snack am Bahnhof“ und der Zeitschriftenkiosk am Sonntag geschlossen sind. Dabei ist die BVG so stolz, dass ihre Tochter ZOB so erfolgreich ist, weil die Leute wieder mehr Bus fahren.

Vielleicht langweilen sich auch die Taxifahrer bald nicht mehr so sehr. Als der Bahnhof eröffnet wurde, waren so viel Busse angereist, dass die Taxis sogar – unerlaubt – auf das Bahnhofsgelände fuhren und direkt vor den Bussen hielten.

Christian van Lessen

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