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Berlin: Messerstecherei: Strafgefangener wegen versuchten Totschlags vor Gericht

Was geschieht, wenn zwei Menschen, die gezwungenermaßen auf engstem Raum miteinander leben müssen, in Streit geraten, zeigt der Prozess gegen den Strafgefangenen Hassan El-Z., der sich seit Dienstag wegen versuchten Totschlags vor dem Landgericht verantworten muss.

Was geschieht, wenn zwei Menschen, die gezwungenermaßen auf engstem Raum miteinander leben müssen, in Streit geraten, zeigt der Prozess gegen den Strafgefangenen Hassan El-Z., der sich seit Dienstag wegen versuchten Totschlags vor dem Landgericht verantworten muss. Die Staatsanwaltschaft legt dem staatenlosen Kurden zur Last, am 30. Juli vergangenen Jahres in der Justizvollzugsanstalt Tegel den 36-jährigen Türken Tekin S. mit einem Messer angegriffen und mit zahlreichen Stichen verletzt zu haben. Laut Anklage soll der 29-jährige Hassan El-Z. dabei den Tod des Geschädigten in Kauf genommen haben.

Zum Prozessauftakt schilderte Hassan El-Z. ruhig und sachlich, wie er seit Monaten immer wieder von dem älteren Tekin S. beschimpft und angepöbelt worden sei. Beide Strafgefangenen waren auf der Drogentherapiestation der JVA Tegel untergebracht, auf der neben der Drogen-Abstinenz auch ein striktes Gewaltverbot gilt. Die Stimmung zwischen Hassan El-Z. und Tekin S. schaukelte sich immer weiter hoch. Während der ruhigere El-Z. häufig versucht habe, eine Aussprache mit S. herbeizuführen, habe dieser nur Hohn und Verachtung für ihn übrig gehabt. "Du bist gar kein Mann" und "Bastard" seien noch die harmloseren Beschimpfungen gewesen, die sich Hassan El-Z. gefallen lassen musste.

Zunächst schaffte es Hassan El-Z. auch, all diese Beleidigungen irgendwie wegzustecken. Offensichtlich ärgerte Tekin S. sich ganz besonders darüber, dass Hassan El-Z. - anders als er selbst - schon bald seinen ersten Tagesausgang aus der Anstalt haben sollte. Zwei Tage vor dem Ausgang endete ein letzter Versuch des Angeklagten, unter vier Augen mit dem agressiven Tekin S. zu reden damit, dass dieser Hassan El-Z. ins Gesicht spuckte.

"Ich habe mich nie in meinem Leben so erniedrigt gefühlt, Herr Richter", sagte er. Dennoch sei er zunächst in seine Zelle zurückgekehrt. Dort habe er nach einer Weile ein kleines Küchenmesser zurückbringen wollen, das er von einem anderen Mithäftling geliehen hatte. Auf dem Weg zu dessen Zelle sei er erneut von Tekin S. verhöhnt worden. "Verschwinde, du Hurensohn!" Daraufhin habe er ihm mit der geballten Faust, in der er das Messer hielt, zunächst in den Bauch geboxt. Als er gesehen habe, wie "hinterhältig" Tekin S. gelacht habe, weil er wusste, dass er mit diesem Angriff seinen Ausgang verspielt hatte, sei er durchgedreht und habe zugestochen.

Der als Zeuge geladene Tekin S. versuchte, dem unter Langzeitgefangenen geltenden Ehrenkodex gerecht zu werden, nicht gegen einen anderen Gefangenen vor Gericht auszusagen. Sehr zum Ärger des Vorsitzenden Richters behauptete er, sich nicht mehr an den Vorfall erinnern zu können, weil er starke Psychopharmaka bekomme, seit bei den Erdbeben in der Türkei Angehörige von ihm ums Leben gekommen seien.

Hassan El-Z. honorierte diese Haltung, indem er Tekin S. küsste und um Verzeihung bat.

Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt. PETER MURAKAMI

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