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Berlin: Metropol: Gute Zeiten, schlechte Zeiten

So um 1 Uhr nachts erscheint der Tempeltänzer, dehnt seine Sehnen und steigt auf die Handflächen des Monumantal-Pharao. Dort dreht er Pirouetten und blickt auf die überwiegend schwulen Erlebnistouristen herab, die ins ägyptische Metropol eingefallen sind.

So um 1 Uhr nachts erscheint der Tempeltänzer, dehnt seine Sehnen und steigt auf die Handflächen des Monumantal-Pharao. Dort dreht er Pirouetten und blickt auf die überwiegend schwulen Erlebnistouristen herab, die ins ägyptische Metropol eingefallen sind. Der Saal ist eine perfekte Illusion, wirkt wie eine virtuelle 3-D-Animation eines ägyptischen Tempels. Die riesige Sound- und Lichtanlage (Leistung: 650 000 Watt) verschwindet hinter rotbraunen Fassadenelementen, bestückt mit allerlei allegorischen Tierfiguren aus Holz und Glasfaser.

Es gibt Häuser mit einer so genannten wechselvollen Geschichte. Für das Metropol am Nollendorfplatz wäre das eine stark beschönigende Umschreibung. Auf dem Haus liegt der Fluch des Misserfolgs. Der Bau aus der Kaiserzeit, als "Schaupielhaus des Westens" konzipiert, im Ersten Weltkrieg aus Geldmangel verstoßen, verstümmelt im Zweiten. Seitdem lebt es als Torso fort. Gelegentlich tauchte es aus der Kümmernis auf, als Spielort für das "Weiße Rössl" und "Land des Lächelns" Anfang der 50er Jahre, doch die Operetten-Projekte kollabierten schnell. Zuletzt sollte ein großes Tanz-Musical im Pharaonen-Ambiente neues Flair an den Nollendorfplatz bringen. Mehrere Millionen Mark dauerte es, bis Inhaber Ihle den Flop eingestand. Übrig blieb die Dekoration.

Doch nun soll es wieder aufwärts gehen. Die Partyveranstalter sind guten Mutes, das Metropol in der Clubszene etablieren zu können. Und Jaques Ihle, der seit 15 Jahren das Haus bespielt, hat ein neues Konzept, dessen Inhalt er noch nicht verraten will. Die originelle Fassade, seit 1997 unter Denkmalschutz, verlangt nach Theater, Revue oder Konzert. Für diese Zwecke wurde das Haus 1906 nach Plänen des Architekten Albert Fröhlich errichtet. Zwei Säle entstanden, ein Theatersaal mit 1200 und ein Konzertsaal mit 1300 Plätzen - letzterer besteht noch heute. Mit Shakespears "Sturm" eröffnet, widmete sich das Haus bald der leichten Muse. Schon 1911 wurde umgebaut, um auch Filme zeigen zu können. Nach dem 1. Weltkrieg versuchte man es als "Neue Scala" mit Operette, 1927 zog Erwin Piscator mit seinem proletarischen Theater ein. Als "Piscatorbühne" erlangte das Haus mit zeitkritischen Inszenierungen und einer neuartigen Bühnentechnik (die erste automatische Drehbühne Europas) überregionale Bedeutung. Aber auch das hielt nicht lange.

In der Wirtschaftskrise probierte man es wieder mit Lustspiel und Kino, unter den Nazis wurde das Haus zur "Staatsoperette". 1930 spielte im Metropol die "Affäre Remarque". Während der Filmpremiere von "Im Westen nichts Neues" setzten SA-Leute weiße Mäuse aus, um das Publikum aus dem Haus zu ekeln. Nach dem Krieg setzte sich der Leidensweg fort. Nach den vergeblichen Operetten-Anläufen schwenkten die Betreiber wieder auf den Film um, in den 70er Jahren mit der Spezialisierung auf Porno. In den 80ern schien der Stern des Hauses wieder zu steigen. Joe Cocker trat auf, wie Inhaber Ihle erzählt: "Wir hatten eine gute Zeit.".

Die war mit der Maueröffnug wieder vorbei. Im "kleinen" Metropol wollte die 1. Liga des Popgeschäfts nicht mehr auftreten. Also disponierte Ihle erneut auf Discothek um, baute die Technik aus und öffnete das Haus für Business-Veranstaltungen. Schließlich seien 100 000 Mark Miete im Monat aufzubringen. Ein Jahr lang, bis Ende 2000, gab der tabubrechende Kit-Kat-Club ein Zwischenspiel im Metropol. Doch die Veranstalter hätten das Drogenproblem nicht in den Griff bekommen, sagt Ihle. Als die Polizei eine größere Razzia ankündigte, zog man die Notbremse. Vor allem Schwule treffen sich im Metropol heute. Der rechte Eingang führt ins "Cilli Bom", einer Orient-Disco mit Bauchtanz-Einlagen. Im großen Saal lösen sich "Cocker Party" und "Gay Propaganda" im 14-tägigen Rhythmus ab. Links geht es in die Lasterhöhle "Westside-Club".

Die Tanzfläche ist ein verkleinerter Raubtierkäfig. Ein grellcolorierter Phallus wuchert im Deko-Unterholz der Kuschelnische. Donnerstags und sonntags werden hier Nacktpartys unter dem Stichwort "Sodom und Gomorra" abgehalten - "only for men". Was da genau vor sich geht? "Erotic Dancing, kann aber auch mehr passieren", berichtet fröhlich der Veranstalter. Jetzt ist zumindest total tote Hose, und das um 1 Uhr nachts. Heute war Warm-up-Party, erläutert Empfangsdame Polli Pohl an der Tür. Gedacht für Leute, die sich für die angesagten Spät-Clubs schon mal in Stimmung bringen wollen. So richtig eingeschlagen hat die Idee noch nicht. Alles andere wäre im Metropol auch ein Wunder.

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