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Berlin: Micky Maus trifft SED

Mit Spaß-T-Shirts trotzt Brenda Boos der Flaute im Textilhandel

Von Susanna Nieder

Brenda Boos gehört zu den Menschen, die Arbeit förmlich anziehen. „Der Laden läuft wie nix“, sagt sie. „Dafür arbeite ich auch 70 Stunden in der Woche.“ Dem Dauerjammern des deutschen Textilhandels mag sie sich nicht anschließen, das würde gar nicht zu ihrer zupackenden Art passen. Was sie in ihrer Handelsvertretung verkauft, sind Outfits für die Spaßgesellschaft – Ringelpullis und Micky-Maus-T-Shirts, sexy Unterwäsche der Berliner Labels Vive Maria und Pussy Deluxe, Flipflops und Jeans.

Und natürlich die T-Shirts von Nastrovje Potsdam, dem Label, das sie selbst mit zwei Kompagnons betreibt. Die viel strapazierte Bezeichnung „Kult“ passt hier ausnahmsweise, denn wer in den Sechzigern und Siebzigern schon auf der Welt war, hat beim Anblick der Aufdrucke ein Déjà vu: Rotbäckchen und Klosterfrau Melissengeist, 4711 und Pustefix, Limonade Florida Boy und Eislolly Brauner Bär. Auch die besten Ostalgie-T-Shirts mit FDJ und DDR, Trabant und der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands sind von Nastrovje Potsdam.

Mit Textilien kennt Brenda Boos sich aus, seit sie 1993 – damals passenderweise noch als Krankenschwester tätig – bedruckte T-Shirts für „Die Ärzte“ auslieferte. Gleich beim ersten Mal stellte sie sich mit hinter den Verkaufstisch, weil ihr die Besatzung überfordert schien, und wurde von der erfolgreichsten aller Deutschrock-Bands umgehend als Verkäuferin engagiert. „Das glamouröse Tourneeleben war klasse, aber meinen Job im Krankenhaus musste ich nach einem Jahr an den Nagel hängen.“ Seither ist sie Textilhändlerin mit einem Riecher für das, was geht. Simone Frantze, die Designerin von Vive Maria, lernte sie in einer Kneipe am Winterfeldtplatz kennen, Luise Blank von Pussy Deluxe fing als Praktikantin bei ihr an. Beide hat Nastrovje Potsdam unter seine Fittiche genommen und mittlerweile gut ins Geschäft gebracht.

Die Firma sitzt übrigens nicht etwa in Potsdam, sondern in Villingen-Schwenningen im Schwarzwald. Wie der Name zustande kam, erklärt die gebürtige Stuttgarterin in ihrem weichen schwäbischen Akzent so: „Meine Kompagnons, der Fritz und der Sutz, haben es zu DDR-Zeiten mal geschafft, auf dem Weg nach Berlin vom Transit abzukommen und in Potsdam zu landen. Das war ja nicht so ohne damals, aber sie haben ohne Zwischenfall zurückgefunden und waren nachher so erleichtert, dass sie sich in Kreuzberg die Kante gegeben haben.“ Aus diesem knarzigen Humor plus südwestdeutschem Arbeitseifer ergibt sich wohl der Erfolg von Nastrovje Potsdam.

Davon können sich die Fans heute noch mal ein Bild machen, wenn in den „Hothouse Showrooms“, einer Art Mini-Ordercenter in Prenzlauer Berg, bei Musik und Häppchen die Musterkollektionen für die kommende Saison verkauft werden. Und das alles zum Einkaufspreis – Nasdorowje Portemonnaie!

Hothouse Showrooms Musterverkauf heute von 11 bis 19 Uhr in der Schönhauser Allee 53, Hinterhof (Prenzlauer Berg).

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