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Berlin: Mieterhöhungen und Konkurse? Wohnungsförderung in Gefahr

Expertenkommission empfiehlt, aus der Sozialbau-Subventionierung auszusteigen

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Fast 26 000 Sozialwohnungen, die zwischen 1987 bis 1997 gebaut wurden, erhalten voraussichtlich keine Anschlussförderung mehr. Die staatliche Subventionierung über 15 Jahre läuft ab 2003 schrittweise aus. Bisher war eine Nachförderung über weitere 15 Jahre üblich, aber eine Expertenkommission des Senats empfahl gestern einstimmig „den Ausstieg aus dem bisherigen System“. Mit Konkursen und schmerzhaften Mietsprüngen ist zu rechnen.

Der Senat wird sich schon am nächsten Dienstag mit dem Kommissionbericht befassen. Schließt er sich den Empfehlungen an, kommen auf die betroffenen Sozialmieter harte Zeiten zu. Bausenator Peter Strieder (SPD) geht davon aus, dass viele Mieter umziehen müssen, weil sie die hohen Mieten nicht mehr zahlen können. Der Wohnungsmarkt in Berlin sei mit 100 000 leerstehenden Wohnungen zwar entspannt, aber trotzdem werde es „soziale Härten“ geben. Der Senator versprach finanzielle Hilfestellungen aus der öffentlichen Kasse.

Mit den 650 Eigentümern – meistens GmbH & Co. KGs, aber auch landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften – sollen ab 2003 individuelle Förderverträge ausgehandelt werden. Die Kommission, die vom Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Klaus Zimmermann geleitet wurde, empfahl: Die Wohnungseigentümer sollen mindestens auf die bisher verbindlich garantierte Eigenkapitalverzinsung verzichten, und die Mieten sollen innerhalb von fünf Jahren bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete angehoben werden. Außerdem sollen die Wohnungsbaukredite umfinanziert werden, um Zinsen zu sparen.

Im Gegenzug verzichtet der Senat auf die Rückzahlung der Aufwendungsdarlehen und die Sozialwohnungen werden aus der Belegungsbindung entlassen. DIW-Chef Zimmermann bezifferte den dauerhaften Spareffekt für den öffentlichen Haushalt auf einen Barwert von 300 Millionen Euro. Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) hatte sich vergeblich für einen sofortigen Totalausstieg aus der Nachförderung stark gemacht. Im Verlauf der Diskussion in der Expertenkommission schälte sich dem Vernehmen nach eine knappe 4:3-Mehrheit für einen „modifizierten Ausstieg“ heraus, und am Ende schlossen sich dem auch die opponierenden Kommissionsmitglieder an.

Kommissionschef Zimmermann sprach gestern von einer „komplizierten, schwierigen Kiste“. Der kompromisslose Ausstieg aus der Anschlussförderung hätte „eine Fülle von Rechtsstreitigkeiten und eine beträchtliche Finanzbelastung des Bundes“ mit sich gebracht. Und zwar über Rückbürgschaften, für die der Bund mit 500 Millionen Euro hätte einstehen müssen, wenn alle betroffenen Wohnungseigentümer zahlungsunfähig geworden wären. Das Kompromissmodell sei also auch „ein Friedensangebot“ an den Bund. Auf das Land Berlin wären im schlimmsten Fall 1,5 Milliarden Euro Bürgschaften zugekommen.

Für Wohnbauten in guter Lage und für Wohnungen mit Mietern, deren Einkommen jenseits der Sozialmietengrenzen liegen, will Strieder übrigens keine öffentlich-rechtlichen Einzelförderverträge anbieten. In diesem Fall droht den Eigentümern die sofortige Insolvenz. Für Wohnungseigentümer, die auf das Vertragsangebot des Senats nicht eingehen, empfiehlt die Kommission eine harte Linie. Das heißt: komplette Einstellung der öffentlichen Förderung. Bis eine Arbeitsgruppe der Bauverwaltung Vertragsentwürfe und Härtefallregelungen ausgearbeitet hat, schlägt die Kommission vor, die bisherige Förderung übergangsweise für einige Monate als Kredit weiterzuzahlen.

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