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Berlin: Milde Strafen nach Messerattacke auf Busfahrer

Gericht blieb mit Freiheitsstrafen von drei und dreieinhalb Jahren deutlich unter dem Antrag der Anklage. Täter sind vorerst frei

Mit erstaunlich geringen Strafen endete der Prozess um den Messerangriff auf einen Busfahrer vor vier Monaten: Mehmet S. wurde zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt, Selcuk B. zu drei Jahren. Das Landgericht sprach die 25- und 23-jährigen Angeklagten gestern der gefährlichen Körperverletzung schuldig. Bis zum Antritt der Freiheitsstrafe kamen die beiden nach Ende der Verhandlung frei.

Mit dem Urteil blieben die Richter deutlich unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die sechs Jahre Gefängnis für den Messerstecher gefordert hatte. Scharf kritisiert wurde das Urteil von der Deutschen Polizeigewerkschaft. „Da wünsche ich mir Münchner Verhältnisse“, sagte deren Sprecher Bodo Pfalzgraf mit Blick auf die harten Urteile gegen zwei Täter nach dem Angriff auf einen Rentner in der Münchner U-Bahn. „Vielleicht sollte der eine oder andere Berliner Richter mal in München hospitieren“, sagte Pfalzgraf. Auch der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Frank Henkel, findet das Strafmaß „vor allem im Vergleich zum Münchner Urteil viel zu milde“. Dass die Täter vor dem Haftantritt in Freiheit sind, sei „völlig unangemessen“. Auch der Sprecher des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Michael Böhl, kann nicht nachvollziehen, dass die Tat nicht als versuchter Totschlag, sondern als gefährliche Körperverletzung gewertet wurde. „Wer von hinten in den Oberkörper sticht, der nimmt den Tod des Opfers billigend in Kauf.“

Der 34-jährige Busfahrer ist durch den Angriff auf der Linie M 29 bis heute psychisch nicht in der Lage, seinen Beruf auszuüben. Zur Urteilsverkündung kam er nicht. Mehmet S. und Selcuk B., wie der Busfahrer türkischstämmig, hatten am Abend des 1. März auf einer Hochzeit jede Menge Raki getrunken. Pöbelnd saßen sie dann im Bus. An der Haltestelle Oranienstraße in Kreuzberg wurden sie vom Busfahrer aufgefordert, den Bus zu verlassen. „Sie verstanden das als Affront“, sagte die Richterin. Sie zerrten am Fahrer herum. Als zwei Frauen schlichten wollten, sei eine von ihnen geschlagen worden. Beim anschließenden Gerangel stieß Mehmet S. dem Busfahrer das Messer von hinten in die Flanke. Der Täter flüchtete nach der Attacke in die Türkei, stellte sich aber nach Wochen.

Während die Münchner U-BahnSchläger vor zwei Wochen wegen versuchten Mordes schuldig gesprochen wurden, trat der Berliner Ankläger vom Vorwurf des versuchten Totschlags zurück. Im Fall des Busfahrers wäre es den Tätern möglich gewesen, ihren Angriff fortzusetzen, hieß es im Plädoyer. Weil sie dies unterlassen hätten, sei ihnen kein versuchter Totschlag vorzuwerfen.

Der Sicherheit im öffentlichen Nahverkehr komme ein hoher Stellenwert zu, sagte die Richterin. „Gewalt im öffentlichen Raum ist ein traumatisches Ereignis für die Betroffenen.“ So ein Verhalten sei „nicht zu akzeptieren“. Doch bei S. und B. handele es sich nicht um „gerichtsbekannte Schläger“. Sie seien vielmehr „zu groß geratene Jungs, die unter Alkohol mit ihren Konflikten falsch umgehen“. Zwar sei bei dem Angriff die „hässliche und böse“ Äußerung „Wir stechen dich ab!“ gefallen. Doch damit hätten S. und B. kein Tötungsvorhaben ankündigen wollen. Es habe sich um „ Imponiergehabe“ gehandelt. Der Messerstich habe auch keine lebensgefährliche Verletzung verursacht.

Allein seit Dienstag vergangener Woche wurden vier Busfahrer und ein Fahrgast bei Attacken verletzt. Zuletzt war am Montagabend ein BVG-Bus auf dem Wilhelmsruher Damm in Reinickendorf von einem Unbekannten mit einem Stein beworfen worden. Verletzt wurde niemand. Die BVG wertete das Urteil des Landgerichts als „wichtiges Signal“, wie Sprecherin Petra Reetz sagte. Entscheidend sei, dass solche Taten überhaupt vor Gericht kommen. „Häufig können die Täter gar nicht überführt werden.“

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