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© dapd

Berlin: „Mir lief ein Schauer über den Rücken“

Gesänge, Inspiration und Stimmung wie bei einem Fußballspiel – viele Papst-Anhänger erlebten im Olympiastadion einzigartige Momente

Judith Körner ist müde. Um sechs Uhr hatte die 30-Jährige aus Prenzlauer Berg am Donnerstagmorgen ihren Dienst in einer Einrichtung für schwerstbehinderte Kinder und Jugendliche begonnen. Dann hatte sie kurz eine Tüte mit ihrer Ministrantenkleidung gepackt und war schnell los zur Probe im Olympiastadion. Denn hier hat sie zusammen mit über 1500 anderen Ministranten an der Heiligen Messe teilgenommen. „Ich hatte dabei keine spezielle Aufgabe. Aber ich war dem Papst recht nah und es war eine schöne Stimmung“, sagt Körner. Nach der Messe geht es dann im vollen S-Bahn-Zug rasch nach Hause, denn auch am nächsten Morgen beginnt Körners Dienst wieder um sechs Uhr.

Dies ist ein besonderer Tag für Judy Kang. „Ich fühle mich sehr geehrt, den Papst sehen zu dürfen“, sagt die 15-Jährige aus Falkensee. Denn Begegnungen mit Würdenträgern der katholischen Kirche haben in ihrer Familie Tradition: Judys Großmutter ist vor rund 70 Jahren im koreanischen Seoul zusammen mit zehn anderen Männern und Frauen von einem Kirchenoberen getauft worden. „Ich werde gleich versuchen, meine Oma in Korea anzurufen, um ihr zu erzählen, dass ich den Papst live gesehen habe“, sagt Kang nach der Heiligen Messe. Die hat ihr großartig gefallen: „Als die Kommunion stattfand und der Chor sang, lief mir ein Schauer über den Rücken.“

Rainer Hautmann aus Heilbronn kommt seit 30 Jahren regelmäßig nach Berlin und Potsdam, um hier Familie und Freunde zu besuchen. So auch zum Papstbesuch. „Ich bin sehr beeindruckt von den vielen emotionalen Momenten in der Heiligen Messe. Und von den zahlreichen engagierten Jugendlichen“, sagt der 49-Jährige, während er vor dem Aufbewahrungszelt am Olympiastadion wartet, um seine große Tasche wiederzubekommen. Hier herrscht großes Gedränge, jeder will möglichst schnell Koffer oder Tasche zurück. „Das könnte wirklich besser organisiert sein“, findet Hautmann, der sich aber die gute Laune nicht verderben lässt. Den Abend lässt er bei ein paar Gesprächen über das im Stadion Erlebte mit Freunden gemütlich ausklingen.

Als Kabuki dem Papst zum ersten Mal begegnet ist, konnte sie ihn noch gar nicht sehen. Denn damals, auf dem Weltjugendtag in Köln 2005, strampelte die heute Fünfjährige noch im Bauch ihrer Mutter Susanne Adamah. Ganz anders nun die erneute Begegnung mit Benedikt XVI. „Als der Papst im Papamobil herumgefahren ist und die Babys gesegnet hat - das war toll!“, sagt Kabuki. Auch die Gesänge haben Kabuki gut gefallen, erzählt ihre Mutter. Zusammen mit ihrer Freundin Monika Tenambergen ist Adamah mit Kabuki aus dem Schleswig-Holsteinischen Mölln angereist, gemeinsam verbringen sie auch das Wochenende in Berlin. „Wir lassen es uns hier gutgehen“, sagt Adamah. Dazu gehöre nach der Messe auch ein gutes Glas Wein an der Hotelbar in Spandau – eben frei nach dem Gleichnis vom Weinstock und den Reben bei Johannes.

„Der Papst ist das Kind einer Frau. Er ist wie jeder Mensch“, sagt Noelie Kehrer, die mit ihrem Mann Kurt und ihrer Tochter Ingrid aus Tempelhof zum Olympiastadion gekommen ist. Daher hat die 51-jährige Bürokauffrau auch keine Erleuchtung durch die Begegnung mit dem Papst erwartet, aber persönliche Momente der Stille und Einkehr. Und die hat sie gefunden. „Außerdem haben mir das Evangelium des Johannes und die Rede von Erzbischof Woelki gut gefallen, weil sie viel Berlin-Bezug hatte“, sagt Kehrer. Und ihre 26-jährige Tochter Ingrid erzählt: „Als an einer bestimmten Stelle der Liturgie alle aufstanden und im Einklang sangen, war das sehr ergreifend.“ Auch Vater Kurt hat den Abend genossen, für ihn war es schließlich eine ganz neue Erfahrung im Olympiastadion. Sonst ist er nämlich hier, um seinen Heimatverein Borussia Dortmund anzufeuern.

Auch wenn Thomas Schubert ein gläubiger Katholik ist, macht er sich so seine Gedanken über die gegenwärtige Situation seiner Kirche. „Warum wird wohl nie ein 30-Jähriger zum Papst gewählt? Damit der keine Chance hätte, die Kirche zu revolutionieren“, sagt der 50-jährige gelernte Gärtner aus Charlottenburg. Zur Heiligen Messe im Olympiastadion ist er in der Hoffnung gegangen, dass der Papst „hier auch mal einige heiße Eisen wie Homosexualität, das Zölibat oder Frauen als Priesterinnen anfasst – Benedikt ist ja kein Dummer, beileibe nicht. Er sieht ja eigentlich diese Dinge“, glaubt Schubert. Und fühlt sich von der Papstpredigt enttäuscht, die er viel zu glatt, zu wenig weltoffen und auch zu wenig selbstkritisch fand. Er ist überzeugt: „So eine Präsentation des Johannes-Evangeliums lockt doch heute keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervor.“

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