zum Hauptinhalt
321255_0_e336a5a2.jpg

© ddp

Missbrauchsskandal: Erzbistum will stärker gegen sexuelle Übergriffe vorgehen

Das Erzbistum will beim Kampf gegen sexuellen Missbrauch den Druck erhöhen: Lehrer sollen fortgebildet, Eltern sensibilisiert werden. Bildungspolitiker diskutieren zudem über spezielle Beauftragte an Schulen.

Das Erzbistum will beim Kampf gegen sexuellen Missbrauch den Druck erhöhen. Auf der Schulleiterkonferenz der katholischen Schulen am Dienstag soll das Thema behandelt werden. Es soll Fortbildungen für Lehrer geben, auch Eltern sollen stärker sensibilisiert werden. Das teilte Bistumssprecherin Martina Richter mit: „Es gibt hier viel Bedarf; Wir als Kirche sind in einem Lernprozess.“ Es müsse ein Klima entstehen, in dem man sich traue, das Thema anzusprechen. Die Deutsche Bischofskonferenz hatte schon 2002 Leitlinien zur Problematik verabschiedet; für die Ende Februar anstehende Vollversammlung hat sie das Thema wieder auf die Tagesordnung gesetzt.

Die Berliner Anwältin Manuela Groll prüft derzeit die Aussichten einer zivilrechtlichen Sammelklage gegen das Canisius-Kolleg. Derzeit vertritt sie drei Opfer der Übergriffe, sie erwartet aber, dass sich weitere Betroffene beteiligen.Unterdessen wurde bekannt, dass der dritte beschuldigte Pater Bernhard E. außer am Canisius-Kolleg von 1976 bis 1981 auch an der Liebfrauenschule in Charlottenburg unterrichtete. „Wir haben die Schulleitung von damals befragt, es gab aber keine Anhaltspunkte für Missbrauchsfälle“, sagte Bistumssprecherin Richter. In der Zeit, für die er beschuldigt wird, arbeitete E. in Hannover.

Wie sexuellen Übergriffen an Schulen vorzubeugen und ob ein Missbrauchsbeauftragter sinnvoll sei, diskutieren derweil auch Berliner Bildungspolitiker. Özcan Mutlu etwa, bildungspolitischer Sprecher der Grünen, plädiert für eine zentrale Ombudsstelle, die „anonym und weisungsbefugt“ sein solle. „Die Ombudsstelle muss Lehrer und Schulleiter zum Rapport bestellen können“, sagte Mutlu. Das in der Bildungsverwaltung bereits vorhandene Beschwerdemanagement funktioniere „in keinster Weise“. Vertrauenslehrern diese Aufgabe zusätzlich aufzuerlegen, hält Mutlu für nicht sinnvoll. Die Lehrer seien Teil des Kollegiums.

Dagegen spricht sich die bildungspolitische Sprecherin der FDP, Mieke Senftleben, dafür aus, einen Missbrauchsbeauftragten an den Schulen selbst zu installieren beziehungsweise den Vertrauenslehrern diese Aufgabe zu übertragen. Die Nähe zwischen Schülern und Lehrern, die Mutlu als nachteilig betrachtet, sieht Senftleben positiv: „Man braucht eine niedrige Hemmschwelle.“ Felicitas Tesch, SPD, meint, jede Schule müsse selbst entscheiden, ob es einen Missbrauchsbeauftragten geben solle, und auch Sascha Steuer von der CDU-Fraktion glaubt, dass mit „staatlicher Intervention“ nichts erreicht werden könne: „Das Bewusstsein muss sich verändern.“ „Es ist immer dann nichts zu erreichen, wenn die Betroffenen und diejenigen, die etwas ahnen, schweigen“, meint Steuer.

„Es muss an jeder Schule eine Kultur des Hinschauens und des Vertrauens geben“, sagte auch Ralf Treptow, Direktor der Rosa-Luxemburg-Oberschule und Vorsitzender der Vereinigung der Oberstudiendirektoren Berlins. „Dafür muss nicht unbedingt eine weitere Funktionsstelle geschaffen werden“, meint er.

Ähnlich sieht es Rose-Marie Seggelke, Berliner Chefin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Auch sie glaubt, die von den Schülern selbst gewählten Vertrauenslehrer seien ausreichend. Einen verantwortlichen Missbrauchsbeauftragten halte sie an staatliche Schulen nicht für nötig, da es zwar immer mal wieder vereinzelte Fälle gebe, sexueller Missbrauch aber kein verbreitetes Problem sei. Vielmehr müsse die katholische Kirche ihr Verhältnis zur Homosexualität aufarbeiten, meint Seggelke.

Aus der Senatsverwaltung für Bildung hieß es, erste Ansprechpartner in Missbrauchsfällen seien „Lehrkräfte, Vertrauenslehrer, Schulleiter, Schulpsychologen, Sozialarbeiter, Sozialpädagogen“.

Hamburgs Schulbehörde teilte mit, dass sie zwar auch für christliche Einrichtungen zuständig sei, aber Vorfälle, die fast 30 Jahre zurückliegen, von der Staatsanwaltschaft untersucht werden sollten. Aufs Konto der beschuldigten Lehrer Peter R. und Wolfgang S. gehen mindestens 20 Missbrauchsfälle in Berlin, drei an dem katholischen Sankt-Ansgar-Gymnasium in Hamburg, mindestens zwei am Kolleg St. Blasien im Schwarzwald und noch nicht vollständig bekannte Fälle in Göttingen und in Hildesheim – an all diesen Orten war einer der beiden Patres tätig. Die Männer sind heute 65 und 69 Jahre alt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false