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Berlin: Mit acht Affen in einem Boot

Alexander von Humboldt wagte sich mit dem Kanu auf einen der gewaltigsten Ströme der neuen Welt, den Orinoko. Weitere abenteuerliche Reisen folgten

Alexander von Humboldt begegnete Georg Forster, dem ersten Entdecker unserer Serie (vgl. Tagesspiegel vom 2. Oktober) im Revolutionsjahr 1789. Zu diesem Zeitpunkt war Forster schon 14 Jahre von seiner Weltumsegelung mit Captain Cook zurück, er hatte seinen großen Reisebericht veröffentlicht und arbeitete als Bibliothekar in Mainz. Die beiden Männer verstanden sich blendend, unternahmen sogar eine gemeinsame Reise durch Holland, Belgien und England, und nach dieser Reise stand Humboldts Entschluss fest: Auch er wollte, wie Forster, ferne Länder erforschen.

Zunächst jedoch schloss der junge Adlige sein Studium der Naturwissenschaften ab und begann eine Karriere als leitender Beamter im preußischen Bergbau. Eine Erbschaft versetzte ihn in den Stand, die ersehnte große Forschungsreise vorzubereiten. Sie begann im Juni 1799 in der spanischen Hafenstadt La Coruña. Humboldt und sein Freund, der französische Botaniker Aimé Bonpland, fahren auf der spanischen Fregatte „Pizarro“ über den Atlantik. An Bord unternehmen sie chemische und magnetische Versuche, messen die Temperatur des Meerwassers, beobachten immer neue Sternbilder – und treffen nach 20 Tagen an der Küste von Venezuela ein.

Ganz unbeschreiblich sei das Gefühl des Naturforschers, der zum ersten Mal einen außereuropäischen Boden betritt, erinnert sich Humboldt später in seinem Reisebericht. Die Vielfalt der Naturerscheinungen begeistert ihn. Die beiden Forscher wissen gar nicht, wo sie anfangen sollen mit ihren Beobachtungen: Pflanzen wie die Rose von Belveria mit ihren purpurroten Blüten oder der Kuhbaum mit seinem trinkbaren Milchsaft faszinieren sie. Aber auch Tiere wie die heiser kreischenden Nachtvögel in der Höhle von Guacharo oder die Heulaffen im Tal von Caripe fesseln ihre Aufmerksamkeit. Kalkgebilde wie der Augenstein, Himmelserscheinungen wie Sternschnuppen und Feuermeteore – alles will aufgeschrieben, vermessen, konserviert, klassifiziert oder auch nur bewundert sein. Meist steigen Humboldt und Bonpland auf ihren Ausflügen in Missionen und Klöstern ab, die die Spanier überall im Lande errichtet haben. Humboldt erlebt dort das Leben der Indianer mit und beklagt den „Zwang und das trübsinnige Missionseinerlei“, dem sie unterworfen sind; die Gängelung durch die Missionare raube ihnen jede geistige Lebendigkeit.

Der aufregendste Teil ihrer Reise steht ihnen aber noch bevor: Auf Kanus, begleitet von indianischen Führern, wagen sich die zwei auf einen der gewaltigsten Ströme der Neuen Welt, den in seinem Lauf noch kaum bekannten Orinoko. Sie wollen den Punkt, an dem sich der Orinoko mit dem Rio Negro und dem Amazonas verbindet, mit astronomischen Instrumenten feststellen – und sie erleben neuen Reichtum der Natur und neue Gefahren. (siehe Reisebericht auf dieser Seite).

Der wissenschaftliche Eifer der zwei Forscher trifft nicht überall auf Verständnis. Ein Missionar, bei dem sie nächtigen, fragt sie, bass erstaunt: „Wie soll euch einer glauben, dass ihr euer Vaterland verlassen habt, um euch auf diesem Flusse von Moskitos aufzehren zu lassen und Land zu vermessen, das euch nicht gehört?“

Humboldt dagegen zweifelt keinen Augenblick am Sinn seiner Reise. Immer weiter sammeln Bonpland und er Eindrücke, Pflanzen und Tiere, zeitweise reisen sie in ihrem engen Kanu mit sieben Papageien und acht Affen. Insgesamt 75 Tage dauert die Fahrt auf den Flüssen Apure, Orinoko, Atabapo, Rio Negro und Casiquiare. Ihre Reise wird sie in den Jahren 1801–03 auch nach Mexiko, Peru, Kuba und in die USA führen. Als berühmter Naturforscher kehrt Humboldt 1803 zurück nach Europa. Seine Forschungsreise nach Südamerika war die erste, die allein durch das Interesse an der Wissenschaft motiviert und privat finanziert war.D.N.

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