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Berlin: Mit der Revue zum Ruhm

Der Bühnenausstatter Wolf Leder ist eine Legende. Seine Fantasie verlieh Shows den Glanz – zu allen Zeiten. Heute wird der 96-Jährige auf Berlins neuem Walk of Fame geehrt

Die Hohenzollern haben bei ihm im Parkett gesessen. Er hat 1933 in der Behrenstraße bei der letzten Premiere von Walter Kollos „Derfflinger“ im Metropol–Theater hochkarätige Brillanten funkeln sehen. Er hat Goebbels und dessen Geliebte Lida Baarova privat kennen gelernt. Später, in der Nachkriegszeit gingen die neuen Machthaber bei ihm im Friedrichstadtpalast ein und aus. Wie sich die Zeiten auch änderten – stets wurden Wolf Leders Künste als Bühnenausstatter geschätzt. Er wurde zur Legende. Heute wird der 96-Jährige auf dem neuen Berliner Walk of Fame geehrt. „Wolf Leder“ steht auf einer der Platten, die um 11 Uhr neben dem Friedrichstadtpalast auf dem „Berliner Pflaster“ eingeweiht werden – so heißt die hiesige Variante des Walk of Fame. Künstler, die die Geschichte des Revuetheaters seit 1947 maßgeblich mitgestaltet haben, sollen so verewigt werden. Wolf Leder hat das Haus seit 1954 in Folge künstlerisch geprägt – seine Ausstattungsrevuen wurden neben der Girlreihe zum Markenzeichen des Friedrichstadtpalastes.

Aber auch in über 100 Filmen hat er Stars wie Heinz Rühmann, Ilse Werner und Heinrich George eingekleidet und für unzählige Berliner Opern-, Operetten- und Schauspielinszenierungen, für Ballette, Musicals und Revuen die Dekorationen und Kostüme entworfen. Vor dem Krieg unter anderen in der Scala, im Wintergarten und im Metropol-Theater, nach dem Krieg auch schon mal im Sitzungssaal des Friedenauer Rathauses, in dem er mit Olga Tschechowa das Theaterstück „Heimchen am Herd“ herausbrachte.

Am längsten aber war er im Friedrichstadtpalast tätig – bis 1993. Dem fühlt er sich noch immer verbunden. Zu seinem 82. Geburtstag am 13. Januar 1989 wurde Wolf Leder „Ehrenmitglied des Revuetheaters und Varietés der DDR-Hauptstadt“. „Seine Phantasien gaben den Revuen den Glanz“, hieß es 1992 anlässlich einer Wolf-Leder-Ausstellung im Haus am Lützowplatz in Tiergarten. Gerade ist wieder eine Retrospektive über das Lebenswerk des Mannes in Vorbereitung, den auch die Mauer nicht von „seinem“ Palast trennen konnte. „Am Tag des Mauerbaus rief mich der damalige Intendant Wolfgang E. Struck an und fragte, ob ich bereit wäre, weiter im Friedrichstadtpalast zu arbeiten“, erinnert sich der West-Berliner. Er sagte damals Ja und wechselte von da an täglich am Grenzübergang für Künstler in der Invalidenstraße die Fronten – dafür bekam er drei Viertel seiner Gage in West- und ein Viertel in Ost-Mark ausgezahlt. „Ich war nicht der Einzige, viele Künstler und, ich glaube auch etwa 500 Ärzte, arbeiteten damals im Ostteil“, erzählt der comme il faut mit Schlips und Hemd in einen hellen Sommeranzug gekleidete alte Herr, der zum Tee in seine Wohnung in der Westfälischen Straße eingeladen hat.

In Halensee wohnt der gebürtige Friedrichshainer und in Wedding aufgewachsene Sohn eines Rektors seit 1937. Heute sind die fünfeinhalb Zimmer, in denen bis zu ihrem Tod auch die Eltern mit lebten, fast ein Museum. Leder hat alles aufgehoben. Auf einem Stapel liegt obenauf eine Ausgabe von „Das Magazin“ vom August 1937 mit Bademoden, daneben wirbt eine Tempelhofer Firma auf einem vergilbten Theaterprogramm für ihr „Parfum Superbe, der reine Duft voller Charme und Harmonie“. Leder weiß auch hierzu etwas zu erzählen: „Das war die Premiere von ,Chanel No. 5’“, erinnert er sich, und dass Werner Fuetterer das Stück mit Sonja Ziemann Ende 1948 im Auftrag der französischen Besatzungsmacht im Corso-Theater am Weddinger Gesundbrunnen herausbrachte. „Theater im Duftrausch“ hieß es damals über die Inszenierung von Ralph Maria Siegel, waren doch dem Theaterheft Duftstreifen beigelegt.

Stundenlang könnte man Wolf Leder zuhören, und man bräuchte Wochen, um sich durch die Flut von Plakaten, Fotos, Theater- und Filmprogrammen, Kostüm- und Bühnenbildentwürfen zu kramen, die sich bei ihm nicht nur über den riesigen hufeisenförmigen Bauhaus-Schreibtisch im Arbeitszimmer ergießen.

„Hallo Berlin“ hieß 1987 der Friedrichstadtpalast-Beitrag zur 750-Jahrfeier der geteilten Stadt. Für Wolf Leder war es bereits das zweite Stadtjubiläum, das er revuehaft ausstattete. „Heut bin ich verliebt“ bejubelte 1937 die Revue im Admiralspalast das 700. Jubiläum Berlins. Da waren Leders Kostüme und Bühnenbilder schon auf vielen Bühnen gefragt.

Gelernt hat er in der in den 20er Jahren bekannten Privaten Kunstschule Reimann in der Landshuter Straße. Die Berufspraxis holte er sich in der Provinz – am Landestheater Schneidemühl gab es da schon mal 53 Bühnenausstattungen pro Jahr zu entwickeln. Gladbach und London folgten, dann war Wolf Leder „reif für Berlin“. Dort hatte er 1939 als Chefbühnenbildner des Staatsvarietés trotz Krieg ebenso wenig Materialschwierigkeiten, wie später der Friedrichstadtpalast trotz DDR.

„Ich war nie in der Partei, weder im Osten, noch im Westen und auch bei Hitler nicht“, betont der kleine Mann hinter seiner großen Sonnenbrille. Für ihn gab es immer nur das Theater. Ende 1944 sollte es damit erst mal vorbei sein – Leder wurde zwangsverpflichtet. Mit dem SS-Eintritt hätte er das Ganze umgehen können – wie es ihm Reichsbühnenbildner Bello von Arent angeboten hatte. Der wollte Leder als Ausstatter für die große Siegesfeier verpflichten. „Die Russen standen schon an der Oder, da glaubte der noch an Hitlers Sieg“ , wundert sich der pfiffige Berliner noch heute. Die Siegesfeier fiel bekanntlich aus, das Theater in Berlin dagegen nicht lange. „Höllenparade“ hieß 1946 die satirische Revue, die Rudolf Platte im Theater am Schiffbauerdamm inszenierte – der Bühnenbildner hieß Wolf Leder.

„Ich habe immer Glück gehabt“, sagt er im Rückblick auf sein beruflich erfülltes Leben. Nur einmal hat er etwas nicht geschafft. 1961 sollte er Marlene Dietrich überreden, im Friedrichstadtpalast aufzutreten. Die wollte zwar liebend gern ihre alte Garderobe wiedersehen, die sie 1926 in der Eric-Charell-Revue „Von Mund zu Mund“ hatte, aber ansonsten wollte sie Dollars. „Bis das in der DDR durch war, hatte sie schon einen Vertrag in Kopenhagen abgeschlossen.“ Der Friedrichstadtpalast hat es überlebt – seit 20Jahren auch am neuen Standort an der Friedrichstraße. Dort wird man sich auf dem „Berliner Pflaster“ heute sicher auch an Wolf Leders letzte Revue 1990 erinnern – „Kiek ma an“.

Heidemarie Mazuhn

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