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Berlin: Mit der „Wasserstraßenbahn“ über den See

Im Jahr 1915 legte in Strausberg die erste lautlose Elektrofähre ab – ihre heutige Nachfolgerin heißt Steffi und ist in Europa einzigartig

Kein Geräusch ist zu hören, nur ab und an ein leichtes Plätschern, wenn die Wellen an die Bordwand schlagen. Nach fünf Minuten Fahrt über den Straussee gibt es einen kleinen Ruck, wenn die Landeklappe der elektrischen Fähre „Steffi“ sich auf den Anlegesteg senkt. Elf Passagiere verlassen die Fähre, vier haben ein Fahrrad dabei.

„Früher, bis zur Wende, war die Fähre im Sommer bei gutem Wetter immer voll besetzt, damals kamen die Ausflügler in Scharen und wollten auf die andere Seite“, erzählt Peter Schubert. Er betreibt die ungewöhnliche Fähre in der dritten Generation, auch sein Großvater und Vater schipperten schon über den Straussee.

Seit 1867 kamen vor allem die Berliner, um sich an den Wochenenden in der Barnim-Landschaft zu erholen und schwimmen zu gehen. Sie kamen mit der Bahn zum Bahnhof Strausberg und ab 1893 mit der Kleinbahn, der heutigen Straßenbahn. Wer auf die andere Seeseite wollte, rief einen der zahlreichen Fischer. Sie waren gegen ein Entgelt gerne bereit, Gäste auf die andere Seite zu rudern.

1892 wollte ein Berliner Bootsbauer eine Fährverbindung über den Straussee einrichten, doch er scheiterte mit seiner Idee. Ein Jahr später versuchte es der Strausberger Kaufmann Daniel Gepke und hatte mehr Erfolg. Schließlich war er Besitzer einer Badeanstalt an der anderen Uferseite, wo inzwischen das Hotel „Seebad" eröffnet hatte.

Die erste Fähre wurde mit einer raffinierten Seilkonstruktion – einer „englischen Drehrolle“ – über den See gezogen. Aber die Besucherzahlen stiegen schnell, die Fähre war schon bald zu klein und außerdem sehr mühsam in der Bedienung, weshalb Unternehmer Gepke bald ein neues Schiff mit Petroleummotor und Platz für 200 Fahrgäste in Dienst stellte. Als Daniel Gepke im Jahr 1904 verstarb, kaufte die Stadt Strausberg sofort die Fähre von dessen Nachkommen für rund 3000 Mark und übernahm auch „Kapitän Buchholz“ – den bisherigen langjährigen Fährmann.

1913 ging ein neues Fährschiff in Dienst, diesmal mit Benzinmotor – aber der Motor war so laut, dass er den Anglern die Fische vertrieb, und seine Abgaswolken vernebelten den See. Hinzu kam, dass der Motor oft seinen Geist aufgab, meist mitten auf dem Wasser.

Nun liebäugelten die Stadtväter mit einem geräuschlosen Elektro-Antrieb. Das Hauptproblem dabei war die freie Aufhängung einer 370 Meter langen Oberleitung zur Stromversorgung. Man unternahm etliche Versuchen mit unterschiedlichen Oberleitungsdrähten und einem Elektromotor, der auf dem Boot installiert wurde.

1915 ging die erste „stille“ Fähre in Betrieb. Sie funktionierte wie eine Straßenbahn mit Stromabnehmer, die Elektrizität lieferte die zwischen zwei hohen Masten an den Ufern gespannte Oberleitung. Und im Prinzip hat sich daran bei allen nachfolgenden Fähren auf dem Straussee nicht viel geändert.

„Steffi“ verließ 1967 die Schiffswerft in Marienwerder. Bei 170 Volt bringt ihr Motor immerhin 7,5 Kilowatt Leistung – genug, um 100 Personen auf die 370 Meter entfernte andere Seeseite zu bringen. Die „Wasserstraßenbahn“, wie sie Einheimische nennen, ist in Europa einzigartig. Kommen genug Fahrgäste, bleibt sie noch lange erhalten. cps

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