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Berlin: Mit einem Maifest wehrt sich Hellersdorf gegen Nazi-Aufmarsch - Heimspiel für PDS-Star Gysi

Eva Krausmer ist überrascht. Sie habe nicht geglaubt, dass es hier so viele unterschiedliche Gruppen gebe, sagt die in lässigem Freizeitlook gekleidete Demonstrantin.

Eva Krausmer ist überrascht. Sie habe nicht geglaubt, dass es hier so viele unterschiedliche Gruppen gebe, sagt die in lässigem Freizeitlook gekleidete Demonstrantin. Da ist die Schönebergerin gestern zum ersten Mal in ihrem Leben nach Hellersdorf gereist, um gegen den Aufmarsch der NPD zu protestieren, und steht nicht lauter Braunen gegenüber, sondern unter Punks, PDS-Opas, Gewerkschaftern mit roter Nelke im Knopfloch und vielem Jungvolk mit bunten Haaren und ebensolcher Gesinnung. "Konzert für ein friedliches Jahrhundert" hieß die Veranstaltung auf dem Alice-Salomon-Platz direkt vor dem Hellerdorfer Rathaus, auf der ein paar Hundert Menschen Front machten gegen den Auftritt der Neo-Nazis ein paar hundert Meter weiter.

Der Protest gegen den marschierenden Ungeist ist aber nur die eine Seite des Festes; mit russischer Folklore, orientalischem Bauchtanz, peruanischer Volksmusik, deutschem Bier und ostdeutschem Rock von "City" wollten die Veranstalter ein Hellersdorf präsentieren, das in der Öffentlichkeit kaum vorkommt. Nicht grau und braun sei der Plattenbaubezirk, lautete die Fest-Botschaft zum 1. Mai, sondern bunt und vielfältig. Tatsächlich ist die Atmosphäre auf dem Salomon-Platz, sonst ein Treffpunkt junger Rechter, überaus friedlich: Alle Bands und Redner werden mit Beifall bedacht, einträchtig stehen die roten Sonnenschirme von PDS und SPD nebeneinander, und selbst einige Polizisten haben sich ihrer Jacken entledigt, um im T-Shirt beim Italiener nach Eis anzustehen. Nur die hoch oben kreisenden Hubschrauber zeigen, dass es sich hier nicht um ein x-beliebiges Kiezfest handelt.

Das sei eine Veranstaltung für alle, die sich links fühlen und gegen rechts sind, erklärt Martin Haller von der Hellerdorfer Friedensinitiative Frieko den allgemeinen Konsens. Für ihn und seine Freunde sind Begegnungen mit rechten Jugendlichen Alltag. Trotzdem glaubt Haller nicht an die rechte Vormacht in den Köpfen ostdeutscher Jugendlicher. "Hier gibt es viele Projekte gegen Gewalt und Rassismus", erklärt er.

Gegen Mittag entert die Polit-Prominenz die Bühne. Den meisten Beifall erhält Gregor Gysi, der als Bundestagsabgeordneter für Hellersdorf/Marzahn ein Heimspiel hat. Der 1. Mai müsse ein Tag der Linken bleiben, erklärt der PDS-Star. "Deutschland braucht die NPD nicht", ruft Gysi aus, bevor er eilenden Fusses die Bühne verläßt. Dann geht das Fest mit deutschem Bier und Musik aus aller Herren Länder bis in die Nacht weiter.

Klaus Wieking

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