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Berlin: Mit großer Klappe über goldene Brücken

Luigi Colani, weltweit tätiger Designer mit Berliner Wurzeln und Lust auf Provokationen, will in der alten Heimat sein Lebenswerk zeigen

Luigi Colani, schwarze Haarmähne, schwarzer Schnauzer, braun gebranntes Gesicht, ist ein Berliner aus jener Ära, in der man eine große Klappe noch mit Liebe zu ölen pflegte. Geboren 1928 als Sohn eines Filmarchitekten, als sich Marlene Dietrich, Albert Einstein und seine eigene Großmutter, ihres Zeichens Souffleuse bei Max Reinhardt noch auf dem Ku’damm zu treffen pflegten. Am Mittwochabend saß der ebenso erfolgreiche wie provokative Designer (u.a. Kameras, Autos, Möbel, Brillen) im Café Moskau beim 9. Mediengipfel auf dem Podium und machte eine Ankündigung.

Im kommenden Jahr feiert der unter anderem in Tokio, Shanghai, Los Angeles und Karlsruhe tätige Luigi Colani sein 50-jähriges Berufsjubiläum. Zu diesem Anlass will er eigene Objekte aus aller Welt, Gesamtwert 50 Millionen Euro, zu einer Ausstellung über sein Lebenswerk zusammentragen. Gerne in Berlin, denn die Stadt braucht Hilfe, und Colani fühlt sich berufen und in der Lage zu helfen. Was er bräuchte, wären 10 000 Quadratmeter, eine Halle und einige Sponsoren, die etwa zwei Millionen Euro für Restaurierungs- und Versicherungskosten aufbringen könnten. Alles andere will er selbst und gratis erledigen.

Der Gipfel zum Thema Design war, wie der Medienbeauftragte Bernd Schiphorst vorab berichtete, einberufen worden, weil es den Designern an Öffentlichkeitswahrnehmung fehlt. Innerhalb des Mediennetzes Berlin-Brandenburg gibt es nun auch ein „design.net“.

Über weitere Perspektiven diskutierten unter anderem der Design-Professor Werner Aisslinger („Es hat sich ein internationaler Stil etabliert, weil man mehr unterwegs ist. Wo man ist, ist egal, es geht um die Qualität der Ideen.“) und Bread & Butter-Geschäftsführer Karl-Heinz Müller, der „am Ende des Tages Goldgräberstimmung“ auch in Berlin sieht. Berlin habe eine unglaubliche Subkultur, eine sehr junge und kreative Szene. Mit ihren eher sachlichen Einlassungen hatten die jüngeren Podiumsgäste es allerdings schwer, gegen die Polemiken des Alt-Stars zu bestehen, der von Moderatorin Tita von Hardenberg immerhin sehr souverän in Schach gehalten wurde.

Colani machte keinen Hehl daraus, dass er „von außen mit Schmerz auf diese Stadt blickt“, aus der die jungen Talente herausgezogen werden wie von Magneten in andere Städte, „wo die Puppen auf den Tischen tanzen“. Shanghai zum Beispiel, wo er selbst eine Professur hat. Wenn er von dort hierher zurückkommt, hat er das Gefühl „in ein Altersheim mit angebautem Museum zu kommen, in dem die Mundwinkel bis auf den Erdboden hängen“. Der futuristische Industrie-Designer, der einst, wie er sagte, „auf goldenen Brücken nach Japan geholt wurde“ und für den sie „in Vietnam den roten Teppich ausrollen“, ist bekannt geworden unter anderem mit einer Kugelküche, einer superaerodynamischen Lokomotive und mit Rennwagen. Er arbeitet auch als inspirierender Ideengeber für die Nasa. Manche seiner Prototypen für Rennautos und Flugzeuge haben in Windkanälen Rekordergebnisse erzielt, allerdings sind etliche seiner Entwürfe auch nie in Serie gegangen. Schon einmal wollte er mit einer großen Ausstellung eine Stadt retten. Allerdings zerschlug sich das Projekt, weil sich Bremerhaven Ende der 80er Jahre weigerte, Rennwagen-Testversuche in den USA zu unterstützen. Diesmal setzt er zur Deckung seiner Unkosten auf Banker.

Protest erntete er bei dem unterhaltsamen Abend für seine Ausführung, fünfmal so viel zu ackern wie die jungen Kollegen („Ihr Mäuse fangt ja gerade erst an, unterm Teppich Rad zu fahren“), Applaus hingegen für den Vorschlag, „aus dieser Stadt mal das Designer-Mekka Deutschlands zu machen“. Seine Ausstellung könnte die Initialzündung sein, glaubt er. Und ist, weil er eben helfen will, weil er es nicht mehr mit ansehen kann „wie sich in diesem Scheißland alle in Todessehnsucht in die Tiefe jammern“, bereit, vorher noch einmal „mit einem Lichtbildervortrag“ zurückzukommen. Wenn es schließlich soweit ist und die besten von 4000 Colani-Objekten aufgestellt sind, dann, so die fröhliche Prophezeiung des Formphilosophen, „könnt ihr euch in diesem Kaff vor Besuchern gar nicht mehr retten“.

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