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Berlin: Mit Sicherheit durchs Chaos

Viele fürchten die Baustelle in Bernauer und Eberswalder Straße. Dabei ist die Unfallzahl stark gesunken

Auswärtige haben das Gefühl, in einen Motocross-Freizeitpark geraten zu sein, wenn sie die Bernauer Straße vom Nordbahnhof ostwärts fahren: Wo sich einst Bäume über Schattenparkern ausbreiteten, führt jetzt eine Asphaltpiste über den ehemaligen Gehweg, die die Benutzer an jeder Querstraße kräftig durchschüttelt. Manchmal geraten querende Autofahrer mitten in die Behelfsspur, weil sie glauben, sie seien noch meterweit von der Kreuzung entfernt. Und wer die ganze Tour von der Mauergedenkstätte bis zur Schönhauser Allee geradelt ist, wundert sich fast, dass er noch lebt. Das wahre Wunder ist jedoch ein anderes: Statistisch ist die von allen Beteiligten gleichermaßen gefürchtete Strecke durch die Bauarbeiten deutlich sicherer geworden.

Vom Baubeginn Ende November 2004 bis 30. Juni dieses Jahres registrierte die Polizei auf dem Straßenzug Bernauer und Eberswalder Straße 40 Verkehrsunfälle mit einem Schwer- und sechs Leichtverletzten. Drei davon waren Fußgänger, einer war mit dem Fahrrad unterwegs. Im gleichen Vorjahreszeitraum krachte es 83 Mal, also mehr als doppelt so oft. Ein Mensch wurde schwer, 17 wurden leicht verletzt, davon je fünf Fußgänger und Radler. Einziger Haken dieser kuriosen Erfolgsbilanz: Bei neun der 40 aktuellen Unfälle spielte auch die Baustelle eine Rolle. „Wahrscheinlich wirkt die Baustelle so verkehrsreduzierend, dass nur noch diejenigen durchfahren, die unbedingt müssen“, resümiert die Polizei.

Auf dem westlichen Abschnitt werden unter Senatsregie Straßenbahngleise für die Verlängerung der M10 bis zum Nordbahnhof eingebaut, der S-Bahn-Tunnel abgedichtet und die Straße komplett erneuert. Für die mehr als 160 gefällten Bäume soll Ersatz gepflanzt werden.

Etwas weiter östlich, in der Eberswalder Straße, ist nach eigenen Angaben die BVG zuständig. Mächtig eng sei es hier, aber auch nicht dramatisch, sagt ein Busfahrer, der sich mit dem M10-Ersatz zur Schönhauser Allee quält. Manchmal tänzeln Radfahrer vor ihm auf dem schmalen Streifen zwischen Schiene, bröselnder Asphaltkante und Absperrbaken entlang. Andere machen sich gleich richtig breit. Platz zum Überholen ist ohnehin nicht. „Für Radfahrer ist das hier tödlich“, hatte zuvor ein Taxifahrer mitfühlend gesagt und hinzugefügt: „Is’ eben Berlin.“ Der Bus schließlich quert ein Gewirr aus weißen und gelben Linien und biegt, die Nase weit im Gegenverkehr, rechts in die Schönhauser ein. Geschafft, wieder mal.

Der Zeitungsverkäufer an der Ecke hat Pressluftgehämmer im Ohr und Teergeruch in der Nase, aber nichts zu meckern: „Ich habe in 30 Jahren noch nie so fleißige Bauleute gesehen. Die arbeiten Hand in Hand, pausenlos.“

Bei den Berliner Wasserbetrieben heißt es, die BVG führe ein strenges, aber gut abgestimmtes Regime auf der Baustelle. Die Arbeiten seien „schwierig, weil alles sehr verschachtelt liegt“. Östlich der Schönhauser Allee solle bis Ende Oktober alles erledigt sein – „möglichst für viele Jahre“, sagt ein Sprecher der Wasserbetriebe.

Das Durcheinander auf dem westlichen Abschnitt dagegen bleibt noch eine Weile erhalten: Die Stadtentwicklungsverwaltung stellt die Freigabe der Strecke für Mai 2006 in Aussicht. Und zwar einschließlich neuer Geh- und Radwege.

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