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Für viele Jugendliche ist die virtuelle Welt eine reale. Die daraus resultierenden Konflikte beeinflussen auch den Schulalltag.

© dapd

Isharegossip: Mobbing im Netz macht auch Lehrer krank

Wüste Beleidigungen auf der Internetplattform "Isharegossip" richten sich nicht nur gegen Schüler. Manche Lehrkräfte sind infolge des Cybermobbings krankgeschrieben. Experten wollen jetzt Medienerziehung im Unterricht zur Pflicht machen.

Hetze und Mobbing über die Internetplattform „Isharegossip“ („Ich verbreite Tratsch“) betrifft neben den Schülern inzwischen auch zunehmend die Lehrkräfte. Kaum eine Schule in Berlin, über deren Schüler oder Lehrer keine Beleidigungen oder sexistischen Bemerkungen zu finden wären. Nach Informationen des Tagesspiegels wurden Pädagogen bereits aus Klassen herausgenommen, aus denen mutmaßlich Beleidigungen kamen. „Man fühlt sich wie eine Aussätzige“, sagte eine Lehrerin, die als Folge des Internetmobbing inzwischen krankgeschrieben ist.

Bislang wurde „Isharegossip“ vor allem als Schüler-Problem gesehen. „Zu Unrecht“, sagte am Dienstag eine Lehrerin, die anonym bleiben will. Die Beleidigungen seien so massiv, dass sich manche Kolleginnen nicht mehr in die Schule trauten. Aber auch Lehrer seien betroffen.

Wer die berüchtigte Internetseite ansieht, muss nicht lange suchen: Hunderte Lehrer werden mit vollem Namen genannt und massiven Beleidigungen über ihr Äußeres oder ihre Verhaltensweisen konfrontiert. Da das Problem relativ neu ist, gibt es aber bisher kaum fachkundige Hilfe für Mobbing-Opfer.

Das soll sich jetzt ändern. Immer mehr Instanzen melden sich zu Wort und bieten Hilfe an. Darunter das Landesprogramm Jugendnetz.de, das gerade wieder eine Anschlussfinanzierung von 1,9 Millionen Euro bewilligt bekommen hat. Bezahlt werden davon unter anderem so genannte Medienkompetenzzentren, die in den Bezirken Angebote für Schüler und Lehrer machen. Die neueste Publikation betrifft direkt den Umgang mit „Isharegossip“ und gibt auf zwei Seiten einen guten Überblick über den richtigen Umgang mit der Mobbingplattform (http://szenenwechsel-berlin.de/cms/uploads/file/isharegossip.pdf) .

Michael Retzlaff, Referatsleiter für Medienbildung am Landesinstitut für Schule und Medien (Lisum) Berlin-Brandenburg, plädiert für einen verbindlichen, altersgemäßen und regelmäßigen Einsatz neuer Medien im Unterricht. Zwar definiere der „Masterplan eEducation“ der Bildungsverwaltung, welche Kompetenzen die Schüler in welchen Klassenstufen erwerben sollen, doch gibt es in Berlin weder Mindest-Wochenstunden noch eine Verpflichtung dazu.

Die derzeit gehäuften Anfragen von Schulen und Elternvertretungen zeigten, dass das Problembewusstsein wachse und wie viel Unwissenheit herrsche, sagte Retzlaff. Jedoch sei das Thema längst ein Alltagsphänomen für viele Jugendliche und die spezifische Ausprägung von „Isharegossip“ stelle nur eine neue Form dar. „Die Wandlung von der ,social community‘ zur ,Hassgruppe‘ führt zu dieser derzeit massiven sozialen Verunsicherung der Opfer, Wut und Ängsten in Schulen und Elternhäusern“, sagte Retzlaff.

Den Schulen empfiehlt Retzlaff jetzt, gezielt aufzuklären und das Personal weiterzubilden. „Sie sind gut beraten, die aktuellen Vorfälle aufzugreifen und zugleich zu intervenieren. Für den Unterricht sei es wichtig, dass sich die Inhalte von Medienbildung nicht nur in einem Fach wieder fänden. Ein großer Bedarf besteht in der Unterstützung und Qualifizierung der Lehrer, damit sie verstünden, was im Internet passiere. Auch die juristischen Aspekte im Netz werden immer wichtiger für Lehrer. „Eine Maßnahme mit nachhaltiger Wirkung wäre es zudem, den Bereich Medienbildung verbindlich in das System der regionalen Lehrerfortbildung aufzunehmen“, sagte Retzlaff.

Auch CDU, Grüne und FDP forderten, die Medienkompetenz der Lehrer und Schüler zu stärken. Mit freiwilligen Fortbildungsangeboten sei es nicht getan, sagte CDU-Landeschef Frank Henkel. Ein von gegenseitiger Wertschätzung geprägtes Schulklima sei die beste Vorbeugung gegen „Gewalt jeder Art“, betonte Özcan Mutlu (Grüne). Mieke Senftleben (FDP) forderte, dass „Lehrern, Eltern und Schülern die Chancen, aber auch die Gefahren des Internets dargelegt werden müssen“.

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