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Berlin: Mobbing mit der Handykamera

Schüler provozieren Lehrer im Unterricht, filmen mit und stellen das Ergebnis ins Internet

Wenn Schüler während der Stunde ein Handy in der Hand haben, sollten die Lehrer auf der Hut sein: Neuerdings machen sich Jugendliche einen zweifelhaften Spaß daraus, ihre Pädagogen beim Unterricht zu filmen und die Ergebnisse ins Internet zu stellen. Unter Umständen werden sie von den Schülern sogar absichtlich provoziert, damit der Mitschnitt „interessanter“ wird, oder der Film wird hinterher nachbearbeitet, um den Lehrer zu verunglimpfen.

Noch sind es in Berlin nur Einzelfälle, in denen bekannt wird, dass Pädagogen so im Internet verunglimpft werden. Aber die Anfänge werden ernst genommen: Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) teilte gestern mit, dass betroffene Lehrer bereits von Juristen der Senatsverwaltung für Bildung beraten würden. Auch die Gewerkschaft Erziehung (GEW) warnt davor, solche Vorkommnisse auf die leichte Schulter zu nehmen: „Wir raten den Lehrern, sich an die Schulkonferenz zu wenden, um beispielsweise ein Handyverbot in der Schule durchzusetzen“, sagt GEW-Sprecher Peter Sinram. Das könne man ohne Weiteres in die Hausordnung aufnehmen, die dann von allen Schülern zu unterschreiben sei. „Keiner kann dann so tun, als habe er davon keine Kenntnis“, sagt Sinram.

Auslöser der Debatte über das Mobbing von Lehrern sind drastische Vorfälle in Großbritannien. Dort sei einem Lehrer vor laufender Handykamera die Hose heruntergezogen worden, als er an der Tafel stand, berichtet der Bundesvorsitzende des Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger. Zwei Stunden später habe man die Szene im Internet ansehen können. Längst werde das Problem in Großbritannien, aber auch in der Schweiz breit diskutiert.

Meidinger geht davon aus, dass es auch in Deutschland wesentlich mehr Fälle von Internet-Mobbing gibt als bisher bekannt, weshalb er sich am Montag an die Öffentlichkeit wandte (wir berichteten). Nach seinen Informationen ist Berlin allerdings „nicht das Zentrum“ dieser Entwicklung. In Bayern und Nordrhein-Westfalen kenne er mehr Fälle. Dennoch geht der Verbandschef davon aus, dass es auch in Berlin keine Schule gibt, an der nicht zumindest Unterrichtssequenzen gefilmt würden.

Die Mobbing-Thematik passt zu einer Entwicklung, die sich auch in Berlin verfolgen lässt: Die letzte Gewaltstatistik der Bildungsverwaltung belegte, dass Lehrer immer häufiger Opfer werden. Im Schuljahr 2005/06 mussten sie 144 Bedrohungen, 52 Beleidigungen und 138 Fälle von gefährlicher Körperverletzung verkraften – fast doppelt so viele wie im Vorjahr. Allerdings wurde nur ein Fall von Mobbing gemeldet. GEW-Sprecher Peter Sinram begründet diese geringe Zahl damit, dass das Phänomen „Mobbing“ schwer zu fassen sei. Viele Fälle würden auch nur schulintern thematisiert, vermutet Meidinger.

Die Kultusminister haben jetzt Gelegenheit, das Problem zu besprechen: Am Donnerstag und Freitag tagen sie in Berlin. Dabei soll es auch um die Arbeitsbelastung der Pädagogen gehen, die im Auftrag des Beamtenbundes von der Universität Potsdam untersucht wurde. Wie berichtet, hatte der Leiter der Untersuchung, Uwe Schaarschmidt, eine hohe Gefährdung der Lehrer festgestellt, am sogenannten Burn-out-Syndrom zu leiden. Zu den Ursachen zählen neben der Arbeitsbelastung auch der Umgang mit respektlosen, schwierigen Schülern. Susanne Vieth-Entus

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