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Sicher bis 2015. Rebecca Lilliecrona (links) und Steffi Goebel sitzen im Vorstand des Schwarzenberg e.V.

© Veronica Frenzel

Künstlerhaus Schwarzenberg: Modell Vermietung

Die unsicherste Variante der Freiraumbewahrung: Das Künstlerhaus Schwarzenberg in Mitte.

Als die Zwangsversteigerung des Künstlerhauses Schwarzenberg im Jahr 2003 angesetzt war, war das Happy End so gut wie sicher. Der damalige Bundespräsident Johannes Rau setzte sich persönlich für das Haus in der Rosenthaler Straße 39 ein. Und das Land Berlin beauftragte die Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM), bei der Versteigerung mitzubieten. Wie kam es zu so prominenter Unterstützung für das heruntergekommene, bunt bemalte Haus gleich neben den schicken Hackeschen Höfen?

Ein Grund war das Engagement einiger Künstler, allen voran das von Henryk Weiffenbach. Er und einige Mitstreiter hatten in den Jahren davor ein engmaschiges Netzwerk geknüpft und die Öffentlichkeit mobilisiert. Ein bisschen Glück war auch dabei. Die Geschichte beginnt im Jahr 1995. Damals zog Weiffenbachs Künstlerkollektiv Dead Chickens gemeinsam mit anderen Künstlern in das leer stehende Haus. Sie gründeten den Verein Schwarzenberg e. V. und schlossen mit der WBM einen günstigen Mietvertrag. Es war eine Zwischenlösung. Das Haus gehörte einer jüdischen Erbengemeinschaft, an die es 1997 rückübertragen wurde.

Guter Kontakt mit der Verwaltung

In der WBM arbeitete damals Jutta Weitz, eine Frau mit Idealen. „Für mich hatte die WBM auch den Auftrag, soziale und kulturelle Projekte im Kiez zu fördern. Es ist schließlich eine städtische Gesellschaft. Sie sollte nicht nur die Häuser des Bezirks vermieten“, sagt Weitz heute. Sie war bald eine der wichtigsten Verbündeten des Künstlerhauses, sorgte für guten Kontakt mit der Verwaltung. Wie Weiffenbach war ihr wichtig, dass das Gebäude den Charme der Wendezeit behielt und an die Geschichte erinnerte. Der Verein sanierte das Haus, vermietete Räume an Künstler und Kulturschaffende und organisierte mit den Einnahmen Ausstellungen. Noch heute funktioniert der Verein nach diesem Muster.

Fünf Jahre später kam ein Mieter dazu, der für das Happy End einen wichtigen Beitrag leisten sollte: der Förderverein Blindes Vertrauen. Um dessen Bedeutung zu verstehen, muss man noch mal einige Jahre zurückgehen. Im Zweiten Weltkrieg gab es in dem Haus eine Blindenwerkstatt, geführt von Otto Weidt. Er beschäftigte dort Juden und bewahrte einige vor der Deportation. Der Förderverein Blindes Vertrauen richtete ein Museum in den ehemaligen Werkstatträumen ein, 2005 sollte er Teil der Gedenkstätte Deutscher Widerstand werden. Johannes Rau war ein Förderer des Vereins.

Christoph Schlingensief und Johannes Rau engagierten sich

Im Jahr 2002 mietete sich auch noch das Anne Frank Zentrum in das Künstlerhaus ein. Und die Erbengemeinschaft versuchte, sich zu einigen, was mit dem Gebäude passieren sollte. Die 22 Erben waren in der ganzen Welt verstreut, es gab keinen Sprecher, der im Namen aller handelte. Gleichzeitig entdeckten Investoren das Gebäude. Ein Hamburger Immobilienentwickler kaufte einigen Erben Anteile ab. Am Ende konnten sich die Erben nicht auf ein Nutzungskonzept einigen. Die Zwangsversteigerung war der einzige Ausweg. So sollten alle Erben ihren Anteil am Gebäude ausbezahlt bekommen.

Henryk Weiffenbach, der die Entwicklung dank Jutta Weitz verfolgte, mobilisierte gemeinsam mit den anderen Vereinsmitgliedern die Öffentlichkeit. Er konnte unter anderem Christoph Schlingensief gewinnen, bei einer Versteigerung von Kunstwerken der Künstler des Vereins Schwarzenberg trat er als Auktionator auf.

Gleichzeitig erhielt die WBM vom Land und vom Bund den Auftrag mitzusteigern. Der Bund hatte auf Initiative Johannes Raus Geld zur Verfügung gestellt, das vor allem die Gedenkstätte Deutscher Widerstand retten sollte. Das Land unterstützte alle Mieter im Künstlerhaus mit Geld der Lotto-Stiftung – dank der Netzwerkarbeit und der Kampagne von Henryk Weiffenbach. Bedingung des Landes für die Geldvergabe war sogar, dass die Mischung in der Rosenthaler Straße 39 erhalten bleibt. Die WBM bekam den Zuschlag.

2015 läuft der Mietvertrag aus

Seitdem vermietet die Gesellschaft das Gebäude an den Verein Schwarzenberg e. V., an das Anne Frank Zentrum und an die Gedenkstätte Deutscher Widerstand, zu sehr günstigen Konditionen.

Doch die Zukunft des Künstlervereins ist wieder ungewiss. 2015 läuft der Mietvertrag aus.

Steffi Goebel und Rebecca Lilliecrona, Mitglieder im aktuellen Vorstand des Schwarzenbergvereins, machen sich deshalb schon jetzt Gedanken über eine Kampagne. Sie fürchten, dass die WBM einen Teil der Vereinsräume anderen Mietern geben könnte. Sie können auf wichtige Unterstützung hoffen: Henryk Weiffenbach ist noch heute Vereinsmitglied und auch Inge Weitz engagiert sich weiter für das Gebäude. Bei der WBM wurde Weitz allerdings vor ein paar Jahren entlassen. Begründung: Ihre Arbeitsvorstellung passe nicht mehr zu den Zielen der Gesellschaft.

Fazit: Der Schwarzenberg e. V. hat es dank vieler Fürsprecher geschafft zu bestehen. Doch die Situation bleibt unsicher. Die Mietverträge müssen immer neu verhandelt werden, der Verein ist auf die Gunst der jeweiligen Politiker angewiesen.

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