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Berlin: Modern-italienisch seit fast 20 Jahren - ein gutes Restaurant

Teltower Damm 52 in Zehlendorf, Tel. 8156609, täglich von 12-24 Uhr, Reservierung ratsam.

Teltower Damm 52 in Zehlendorf, Tel. 8156609, täglich von 12-24 Uhr, Reservierung ratsam. Kreditkarten: Amex, VisaBernd Matthies

Hilfe! ruft es aus Zehlendorf, kümmert sich denn keiner mehr um uns? Außer Landowsky? Nachfragen ergeben, dass bei diesem Syndrom Politiker ohnehin nichts machen können, denn es geht um Restaurants, genauer: um gute Restaurants. Die gab es einst dort drunten, weil ja auch das nötige Geld dort sitzt, bis die Metropolenwerdung Berlins alles auf den Kopf stellte. Gendarmenmarkt! Kollwitzplatz! Nun haben die Zehlendorfer eine Art Moabitisierung ihrer Gastronomie erleben müssen und können sich jetzt gerade noch aussuchen, ob sie lieber Pizza bei Antonio essen wollen oder kroatische und internationale Küche bei Dragan und Alder.

Erwarten Sie jetzt bloß keine Neuigkeiten. Denn natürlich steht das "Cristallo" am Teltower Damm immer noch wie eine Zitadelle der aufrechten Küche da, feiert nächsten Februar seinen 20. Gründungstag - und da ist es sicher angemessen, dem Chef Renzo Pasolini ein Kränzlein zu winden. Pasolini ist ein umtriebiger Bursche, hat mal hier was gegründet und mal da ein wenig mitgemacht, hat mal klassisch italienisch gekocht und mal eher neufranzösisch, mal in Hochform und mal eher nebenbei. Derzeit sieht es so aus, als konzentriere er sich ganz auf sein Stammhaus.

Wo das Essen also gut ist. Verblüffend schien mir vor allem, dass das einst hohe Preisniveau durch langen Stillstand inzwischen geradezu gutbürgerlich wirkt: Vier-Gang-Menüs für 74 und 84 Mark sind ja nun wirklich keine Extravaganz mehr. Die Stilrichtung darf wieder als modern-italienisch gelten, freilich längst nicht mit jener unerbittlichen Konsequenz, die wir beispielsweise von "Ana e Bruno" kennen. Deshalb wirkt hier ein dünn aufgeschnittener Kalbstafelspitz in sanfter Vinaigrette mit Sommertrüffeln durchaus nicht exotisch, sondern wie ein naher Verwandter des italienischeren Tunfisch-Carpaccio mit Pinienkernen und viiiel Basilikum. Sehr gelungen die winzigen Kartoffelgnocchi mit sahnig-weißer Ricottasauce, ebenso der "Nudelbonbon" mit Steinpilzen. Sodann Zackenbarschfilet mit Muscheln und Safran, sehr aromatisch, und supersaftige Spanferkelkoteletts in konzentriertem Jus, mit Pesto gratiniert.

Danach hatten wir den Eindruck, vom Basilikum eine gewisse Überdosis abbekommen zu haben, aber das schien eher ein Zufall zu sein - Fans werden es lieben. Zum Dessert wollen extrovertierte Köche wie Pasolini immer alles auf einmal zeigen; wir probierten sehr gelungenes Orangen-Krokant-Parfait, kalte Zabaione und, originell, "Latte Cotta", eine karamelierte Panna-Cotta-Variante nur aus Milch, die deswegen angenehm leicht ausfällt.

Die Weinkarte war schon mal größer, steht aber wohl vor der Überarbeitung. Deshalb nur der Hinweis auf eine Reihe vortrefflicher oberitalienischer Weine von Edel-Erzeugern wie Jermann und Vie di Romans zu angemessenen Preisen. Wir zahlten 75 Mark für Livio Fellugas komplexen "Terre Alte". Ein perfekter Service, der freilich damit zu kämpfen hatte, dass diesmal gleich zwei große Gruppen bewirtet wurden - das setzte auch die Küche so unter Druck, dass die Wartezeiten lang und länger wurden. Typisch schien uns das nicht zu sein.

Also Zehlendorfer, nicht meckern: Das ist zwar keine Neuentdeckung, aber immer noch ein gutes Restaurant. Viele Tempelhofer oder Spandauer wären froh über so etwas in der Nachbarschaft.Wo wir gerade im Südwesten sind: Die Glienicker "Remise" gibt es ja auch noch. Zu Beginn des Jahres habe ich mich da einigermaßen missvergnügt davongestohlen, jetzt schien mir die Küche bei einem neuen Besuch sehr auf dem Wege der Besserung. Das Repertoire steht und ist den Möglichkeiten eines Ausflugsrestaurants gut angepasst, ohne langweilig zu sein: Lammterrine mit Pesto, eher eine würzige Sülze, leider ohne Pesto serviert, sehr gelungene, sahnige Rotbarbensuppe, Artischockenrisotto mit Scampi, gebratener Saibling sowie exzellente Desserts, wie man sie im Restaurant Franz Raneburgers auch dann erwartet, wenn der Chef nicht da sein sollte. Sehr gute Weine, leider ziemlich schussliger Service ohne irgendeine Zentralfigur. In der Summe langt es dennoch wieder für eine glatte Empfehlung (Tel.: 8054000).

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