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© Peters

Modernisierung: Viel Zirkus um den Zoo

"Wenn es Knut nicht gäbe, würde ich nicht mehr herkommen": Konzepte und Gehege müssen erneuert werden, fordern Modernisierer. Andere halten an der traditionellen Ausrichtung fest.

Das Plakat ist vielversprechend. „Be fascinated! Sie werden staunen“ – so wirbt der Zoo für sich selbst. Tatsächlich kommen viele Besucher aus dem Staunen nicht mehr heraus. „Also, wenn es Knut nicht gäbe, würde ich nicht mehr herkommen“, sagt beispielsweise eine 43-jährige Besucherin aus Niedersachsen. Sie habe Mitleid mit den im Kreise herumtigernden Raubkatzen im Käfig, findet es auch schlimm, dass die Elefanten im Tierpark wegen Platzmangels vor allem nachts noch angekettet werden müssen. „Man sieht auch kaum Schilder auf Englisch – ich halte Zoo und Tierpark auf diese Art und Weise für veraltet“, sagt sie.

Seitdem der Manager an der Zoo-Doppelspitze, Gerald R. Uhlich, den Vorstand verließ, wird über das Konzept einer der wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt diskutiert. Der Zoo habe „ein gewaltiges Potenzial als Freizeitpark“, sagte Knut-Vermarkter Uhlich immer, „man könnte das Thema Artenschutz noch besser besetzen – und sollte Zoo und Tierpark modernisieren, sich mehr öffnen, transparenter sein.“ Uhlich hatte das neue Kassensystem eingeführt, Tierfütterungen vor Publikum – und wollte ein interaktives, elektronisches Leitsystem installieren. Da hätte man sich auf dem Bildschirm auch mal eine Geburt oder das Skelett eines Tieres angucken können. Die ganze Welt schaute wegen Knut auf die Stadt, pflegte Uhlich zu sagen, das sollte man für Pilotprojekte nutzen.

Leipzig, Köln, Gelsenkirchen, Hannover, Stockholm – sie machen nach Ansicht der Modernisierungsbefürworter vor, wie Zoos auszusehen haben: Mauern und Gräben sind baulich versteckt – so wollte es übrigens auch der Gründer des Berliner Zoos. Da gibt es vielseitige Gastronomie und Geschäfte, Scout-Touren und Besucherprogramme, Themenparks, Vorführungen zur Freude der Gäste und zur Beschäftigung der Tiere. „Das Abgeordnetenhaus hat schon vor Jahren beschlossen, dass Zoo und Tierpark das Konzept, sich allein als artenreichster Zoo der Welt zu vermarkten, erneuern sollen“, sagt Grünen-Expertin Claudia Hämmerling. Bestimmte Tiere müssten verlegt oder abgegeben werden, um mehr Platz für moderne Anlagen mit mehrsprachiger Beschriftung zu schaffen. Es müsse mehr pädagogisches Personal bereitgestellt werden. „Und man sollte von dem Geld, das Knut eingespielt hat, etwas in die Hand nehmen.“ Wie viele Berliner votiert die Abgeordnete dafür, auch eine neue große Eisbärenanlage zu bauen, um Klimaschutz-Symboltier Knut der Stadt als Attraktion zu erhalten. Und warum nicht wie in Hannover Elefanten vor Tempelkulisse im Wasser Fontänen spritzen lassen oder Gräben so geschickt tarnen, dass man meint, Löwen und Giraffen lebten zusammen? Befürworter argumentieren, dort habe sich die Zahl der Besucher aus allen sozialen Schichten trotz verdreifachter Eintrittspreise in zehn Jahren verdoppelt. Investiert wurde privat aufgenommenes Geld. Berlins Finanzverwaltung will, dass Zoo und Tierpark weiter unabhängiger von Zuschüssen werden.

Zoo-Vorstand Bernhard Blaszkiewitz hingegen verweist auf die Besucher, die ihren Zoo so lieben, wie er sei. Erlebnisparks seien für Berlin kein Vorbild: „Den Tieren ist es wurscht, wie es drumherum aussieht.“ Es gebe hervorragende Zuchterfolge, viele modernisierte Gehege, und das Haus müsse sein wissenschaftliches Konzept behalten. Auch sein Ex-Kollege Uhlich hält nachgestellte abgestürzte Flugzeugwracks wie im Zoo Hannover für „zu kitschig“. Zudem wirke etwa Gelsenkirchen mit seiner günstigen Bauart teils billig, sagen Kritiker. Man sehe etwa den Felsen an, dass sie aus Beton bestehen, so etwas dürfe in Berlin nicht passieren. Zudem würden Stifter in Berlin schon jetzt mit kleinen Schildern an Bänken gewürdigt. „Wir finden es toll, dass man Handkarren zum Ziehen für die Kinder ausleihen kann, der Zoo ist weitläufig und grün“, sagen auch die Touristen Theo Christo und Jim Papadopoulos aus Athen, die ebenfalls den Weg zu Knut suchen.

Am Gehege aber ist kein Wort etwa zu Werdegang und seinem Minister-Paten zu lesen, dafür steht da: „Eisbär. Ursus Maritimus. Phipps 1774. Eisbärweibchen bringen bei der Geburt meerschweinchengroße Jungen bei völliger Ruhe in Schneehöhlen zur Welt. Feind: Mensch“.

Annette Kögel

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