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Berlin: Monotone Gänseleber

Die Gourmet-Führer haben geurteilt – und Berlin steht vor allem mit seinen Hotel-Restaurants gut da. Nur die absolute Spitze wird weiter vermisst.

Die Spannung ist vorbei, die maßgeblichen Gourmet-Führer haben ihr Urteil gefällt – und die Welt der Feinschmecker ist trotz des Konjunkturtiefs weitgehend in Ordnung. Denn obwohl die Zahl der Spitzenrestaurants nach übereinstimmender Auffassung der Experten eher zurückgeht, gibt es wie in jedem Jahr eine Reihe interessanter Neugründungen, und die Lage vor allem in den Großstädten bleibt weitgehend stabil.

Aus hiesiger Sicht bedeutet das: Berlin konnte seinen Ruf als küchentechnisch aufstrebende Metropole behaupten – vor allem wegen der Restaurants in den Hotels. Welchen Platz auf der imaginären Rangliste dies bedeutet, bleibt letzten Endes offen. Hamburg, die Nummer eins bei Michelin, hat ein Sterne-Restaurant mehr, aber beide Städte haben nichts in der Zwei- und Drei-Sterne- Kategorie anzubieten, die in München und vor allem Düsseldorf eine große Rolle spielt. Der Varta-Führer, der Berlin in diesem Jahr eine wahre Lawine neuer Mützen beschert hat, gibt immerhin dem „First Floor“ im Palace-Hotel gleich zwei, jenem Restaurant also, das auch bei Gault-Millau mit 18 von 20 Punkten allein an der Spitze liegt und damit in der Summe aller Bewertungen als bestes Restaurant der Stadt gelten darf.

Alle Restaurantführer sind auch in diesem Jahr ihrem Ruf treu geblieben. Eher bescheidene Betriebe mit unbekannten Köchen haben in der Großstadt praktisch keine Chance auf einen Michelin-Stern; tritt dagegen in einem Luxushotel ein Koch an, der die Auszeichnung bereits anderswo hatte oder sich als Sous-Chef eines berühmten Küchenchefs einen Namen machen konnte, ist die Auszeichnung weitgehend Formsache. Das garantiert Kontinuität in der Qualität, aber leider auch stilistische Monotonie im Hummer-Steinbutt-Gänseleber-Genre. Außerdem macht dies die Lage für selbstständige Wirte ohne Hotel im Hintergrund noch aussichtsloser – Karl Wannemacher (Alt Luxemburg) und Bruno Pellegrini (Ana e Bruno) leiden seit Jahren unter dieser Zurückhaltung. Immerhin gibt es eine Nische für gute, preisgünstige Restaurants, den „Bib Gourmand“, von dem in diesem Jahr erstmals das „Svevo“ und das „Cochon Bourgeois“ profitieren.

Varta und Michelin bewerten kategorisch: Es gibt nur Sterne oder nichts. Bunter geht es im wortreichen Gault-Millau zu, der jedes erwähnte Restaurant bewertet und damit nicht nur die Spitze herausstellt, sondern stets den aktuellen Zustand der gesamten gehobenen Gastronomie beschreibt. Er setzt betont auf Aktualität und teilt beispielsweise den bevorstehenden Wechsel von Wolfgang Nagler (Quadriga) nach München mit. Andere Personalien sind freilich auch dort schon wieder überholt. Der Gault-Millau hebt Berlin schon seit einiger Zeit an die deutsche Spitze; das Lob relativ neuer, interessanter Restaurants – z. B. Epoque, 44 im Swissotel – liest man bisher nur dort. Instruktiver ist er auch in Brandenburg, wo die Konkurrenz praktisch nichts zu loben findet. Die beiden „Bib“ für das Bayrische Haus in Potsdam und die „Alte Schule“ in Reichenwalde dürfen schon fast als Revolution gelten. Doch in Potsdam hat der Küchenchef seither schon zwei Mal gewechselt…

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