zum Hauptinhalt

Berlin: Mordmomente

Der Fan ist Ende 60, er trägt Monokel. Der Fan ist ein pensionierter Internist, krank, Prostatachef.

Von Barbara Nolte

Der Fan ist Ende 60, er trägt Monokel. Der Fan ist ein pensionierter Internist, krank, Prostatachef. Er schickt Connie Palmen eine Kiste Champagner, dann noch eine, dazu einen bittenden, an ihr schlechtes Gewissen appellierenden Brief, einem Todkranken keinen Wunsch abzuschlagen. In einem Amsterdamer Hotel, wo sie ihn tatsächlich trifft, gesteht er ihr: „Ich wollte sie ermorden.“

Connie Palmen hat diese verstörende Begegnung zum Angelpunkt ihres Essays „Idole und ihre Mörder“ (Iets wat niet bloeden kann) gemacht: der vornehme Herr, der sie ermorden wollte. Aus Liebe, fügte dieser hinzu. Palmen, 1955 im holländischen Odilienberg geboren, schöpft ihre Stoffe meist aus dem eigenen Erleben. Ihr erfolgreichstes und anrührendstes Buch, „I.M.“, reflektiert den Herzinfarkttod ihres Lebensgefährten Ischa Meijer, der in Holland ein Starjournalist war.

Im neuen Buch, das mit seinen 100 groß gedruckten Seiten mehr ein Büchlein ist, löst sie sich schnell von ihrer Geschichte, kommt auf die bekannten Mörder an Prominenten zu sprechen: die von Pim Fortuyn, Gianni Versace, John Lennon. Dem Thema Stalking, das vom „Stern“ bis zu den Boulevardmagazinen des Fernsehens bereits unzählige Male behandelt wurde, weil sich darin die zugkräftigen Ingredienzien Stars und Crime vereinen, fügt sie eine Metaebene hinzu. Sie wolle, schreibt Palmen, eine „Philosophie des modernen Mordens“ schreiben. Die Morde machten das Unvermögen deutlich, in den heutigen Gesellschaften zwischen öffentlichem Schein und Sein zu unterscheiden. Eine kurzweilige, geistreiche Analyse der Mediengesellschaft.

Dieses Buch bestellen Connie Palmen: Idole und ihre Mörder. Aus dem Niederländischen von Hanni Ehlers. Diogenes Verlag, Zürich. 103 Seiten, 16,90 €.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false