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Mordverdacht an Charité: Tötete Krankenschwester aus Mitleid?

Die wegen des Verdachts der Tötung von zwei Patienten verhaftete Charité-Krankenschwester soll in einem Verhör Mitleid als Beweggrund genannt haben. Klinikchef Baumann will die 54-Jährige besuchen.

Berlin - Sie habe die Qualen in der Intensiv-Medizin nicht mehr ertragen, sagte die 54-Jährige laut "Bild"-Zeitung in einem Verhör. Nach Charité-Angaben sind inzwischen die Akten von 15 verstorbenen Patienten, die in den vergangenen zwei Jahren auch von der Krankenschwester betreut worden waren, an die Berliner Staatsanwaltschaft übergeben worden.

Der Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft, Michael Grunwald, sagte der "Bild"-Zeitung, diese Unterlagen würden nun geprüft. "Wenn sich hier Auffälliges ergibt, dann sind Exhumierungen nicht ausgeschlossen. Das gehört dann zu den Ermittlungen."

Klinikchef will Verdächtige treffen

Der Direktor der Klinik für Kardiologie der Charité, Gert Baumann, bemüht sich derweil um ein Treffen mit der Krankenschwester. Einen entsprechenden Besuchsantrag habe die Charité am Freitag bei der Berliner Staatsanwaltschaft gestellt, sagte Kliniksprecherin Kerstin Endele. Baumann hatte gleich nach Aufdeckung des Falls geäußert, dass er sich gerne mit der Verdächtigen über die Vorwürfe unterhalten und sie zu einem vollen Geständnis bewegen wolle.

Gegen die 54-Jährige war bereits am Donnerstag Haftbefehl erlassen worden. Die Frau soll nach ersten Ermittlungen der Justiz auf einer kardiologischen Intensivstation des Universitätsklinikums Mitte August und Anfang Oktober zwei schwerkranke Patienten im Alter von 77 und 62 Jahren mit einer Medikamenten-Überdosis getötet haben. Die Charité hatte nach dem ersten konkreten Verdachtsmoment Anzeige bei der Polizei erstattet.

Telefonauskunft geschaltet

Die Charité hat für besorgte Patienten und Angehörige eine Telefonauskunft geschaltet. Am Freitagnachmittag hätten sich 25 Personen gemeldet, sagte Klinik-Sprecherin Endele. Zwölf Anrufer hatten Angehörige, die auf der kardiologischen Intensivstation gestorben seien. Sie würden psychologisch betreut. Gleichzeitig prüfe man, ob der Tod der jeweiligen Patienten außerhalb der Dienstzeit der Tatverdächtigen eingetreten sei.

Der mit dem Fall betraute Berliner Gerichtsmediziner Volkmar Schneider kritisierte indes, dass in Deutschland zu wenig obduziert werde. Eine Obduktion gebe es nur bei zwei bis sechs Prozent der Toten. In Skandinavien seien es 30 Prozent. "Es gibt Schätzungen, nach denen bei uns 1100 Morde pro Jahr unentdeckt bleiben", hob der Direktor des Landesinstituts für gerichtliche und soziale Medizin hervor. (tso/ddp)

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