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© dpa/Sebastian Christoph Gollnow

Möwen in Berlin: Wie der Küstenvogel in die Hauptstadt kam

Weit weg von Nord- und Ostsee wirken sie fremd. Doch Möwen fühlen sich längst auch in Städten wie Berlin wohl – mit teils speziellen Fressgewohnheiten.

Welche Orte in Berlin kommen einer einsamen Nordseeinsel am nächsten? Dem Brutverhalten vieler Hauptstadt-Möwen nach zu urteilen versprechen hoch gelegene und mit Kies bedeckte Flachdächer am meisten Insel-Feeling, wie Stadtnaturexperte Derk Ehlert erklärt. Dort gebe es in Berlin besonders viele Nester. „Die nennenswerten Brutplätze sind in der freien Natur eigentlich Inseln, unberührte Flächen, wo es Kies und Sand und keine Störung gibt.“ Doch an Nord- und Ostsee gebe es immer weniger davon, weil sie zugebaut würden oder Menschen als Naherholungsgebiete dienten.

Deswegen suchten die Tiere nach neuen Lebensräumen und würden auch im Binnenland fündig – zum Beispiel auf dem Dach des großen Einkaufszentrums Alexa am Alexanderplatz. „Wir gehen von mehr als 150 Brutvogelpaaren in der Stadt aus“, sagte Ehlert.

Auch auf dem Otto-Wels-Haus an der Straße Unter den Linden und auf Dächern in der Gropiusstadt und im Märkischen Viertel brüten Großmöwen-Arten, deren Namen so gar nicht nach Hochhaus und Beton klingen: Silbermöwen, Mittelmeermöwen, Sturmmöwen und Steppenmöwen leben in Berlin. Jahrzehntelang waren die Tiere dem Experten zufolge nur Sommergäste, seit mehr als zehn Jahren kommen sie auch als Brutvögel in die Hauptstadt.

Schon immer in Berlin heimisch sei die kleinere Lachmöwe, von der es etwa 50 bis 60 Brutpaare gebe, sagte Ehlert. Sie hat einen roten Schnabel, rote Beine und im Sommer einen vollständig dunkelbraun gefärbten Kopf. Im Gegensatz zu ihren großen Verwandten brüten die Vögel nicht auf Dächern, sondern auf kleinen Inseln und Seerosen, etwa im Müggelsee.

Nahrungsmangel treibt auch Großmöwen in die Hauptstadt

Dass nun auch Großmöwen in Berlin brüten, liegt Ehlert zufolge auch am Nahrungsmangel. Es gebe zu wenig Fisch im Wasser und immer weniger Fischkutter. Im Binnenland hofften sie auf mehr Nahrung. „Sie geben ihren Jungen übrigens keine Pommes und keinen Döner, sondern die Küken kriegen tatsächlich das, was sie auch sonst bekämen: Fisch“, erklärte Ehlert. Dafür fliegen die Erwachsenen ans Wasser, manchmal auch bis an den Wann- oder Müggelsee.

Eine spezielle Delikatesse: Auch Ratten und Kleinsäuger würden an die Kleinen verfüttert. Die erwachsenen Tiere seien nicht besonders wählerisch, fräßen aber überwiegend Fisch.

Ungefähr Ende Juli sei die Brutzeit vorbei. Das Dach auf dem Alexa sei inzwischen leer, die meisten Großmöwen seien nicht mehr in Berlin, sagte Ehlert. „Viele haben schon längst Deutschland verlassen und sind schon längst irgendwo auf dieser Welt.“ Das Vagabundieren sei typisch für Vögel.

Großmöwen fliegen dem Experten zufolge mehrere Jahre umher und kehren dann oft an ihren Geburtsort zurück. Manche Berliner Möwen kämen zwar nicht wieder in die Hauptstadt, brüteten aber dafür in anderen Großstädten wie Hamburg oder Stuttgart. „Sie neigen dazu, städtisch zu bleiben, wenn sie hier groß geworden sind.“ (dpa)

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