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Landgericht Cottbus

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Landgericht Cottbus: Mutmaßliche Sexualstraftäter mussten aus U-Haft entlassen werden

Drei mutmaßliche Sexualstraftäter mussten aus der U-Haft entlassen werden Ein Richter am Landgericht Cottbus war lange krank – doch erklärt das alles?

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Vier Wochen lang hatte die Polizei im Sommer 2014 nach dem 14-jährigen Justin aus Lübbenau gesucht. Sie fand den geistig behinderten Jungen schließlich in der Wohnung eines damals 52-jährigen Mannes. Für die Ermittler erhärtete sich schnell der Verdacht, dass Justin sexuell missbraucht wurde.

Der Beschuldigte sollte sich vor dem Landgericht Cottbus verantworten, doch weil der Vorsitzende Richter der zuständigen Strafkammer längere Zeit krank war, platzte im Sommer dieses Jahres der Prozess. Der Lübbenauer musste frei gelassen werden, denn die Untersuchungshaft bis zum Beginn der Hauptverhandlung darf in der Regel nicht länger als sechs Monate dauern.

Deshalb kamen im Herbst zwei weitere mutmaßliche Sexualstraftäter frei. Auch ihre Prozesse am Landgericht Cottbus mussten wegen der Krankheit des Richters verschoben werden, und weil einer bereits sechs Monate in U-Haft war, der andere nach einer Verlängerung sogar neun, hob das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg die Haftbefehle auf.

Kein Personalmangel am Gericht

Das Thema erhitzt die Gemüter, nicht nur im Süden Brandenburgs. Auch im Landtag wurde am Donnerstag kurzfristig eine Sondersitzung des Rechtsausschusses anberaumt. Die CDU forderte den Rücktritt von Justizminister Helmuth Markov (Linke). „Sie tragen als Justizminister die Verantwortung, dass die Bevölkerung geschützt wird und Verfahren ordnungsgemäß laufen“, sagte CDU-Rechtsexperte Danny Eichelbaum. Weil Richter am Landgericht Cottbus fehlen, hätten die beiden Männer freigelassen werden müssen. Markov lehnte einen Rücktritt ab. „Ich bedauere außerordentlich, dass zwei mutmaßliche Straftäter entlassen wurden“, sagte er. Die Strafkammer habe in einem Fall mehrfach umbesetzt werden müssen, im anderen sei eine frühere Verhandlung möglich gewesen. Es gebe keinen Personalmangel.

Mit 30 Richtern gebe es in Cottbus sogar zwei mehr als nötig. Laut Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) ist einer der Freigelassenen weiter in Brandenburg und bekomme unregelmäßig Besuch von Streifenbeamten. Anhaltspunkte, dass eine Observierung nötig sei, gebe es nicht. Der andere Mann lebe in einem anderen Bundesland, wo die zuständigen Behörden aber informiert seien.

Zunächst gilt die Unschuldsvermutung

„Wir hatten gar keine andere Wahl, als die Beschuldigten aus der U-Haft zu entlassen“, sagt OLG-Sprecher Ulrich Zwick. „Auch wenn bei beiden der Haftbefehl wegen Fluchtgefahr ausgesprochen worden war.“ Aber selbst Wiederholungsgefahr sei kein Grund, die U-Haft über die gesetzliche Pflicht hinaus zu verlängern, sagt Stefan Caspari vom Deutschen Richterbund. „Für die Beschuldigten gilt zudem die Unschuldsvermutung, so dass auch die Polizei keine Handhabe hat, sie sozusagen präventiv zu überwachen. Ganz zu schweigen vom Personal.“

Caspari ärgern die Vorgänge in Cottbus dennoch, vor allem, weil sie seiner Meinung nach das Vertrauen in die Justiz untergraben. Vermeiden lasse sich dies nur durch eine bessere personelle Ausstattung der Gerichte, sagt er. „Dann kann man auch eine Strafkammer mehr als statistisch notwendig besetzen, so dass es bei einer längeren Krankheit eines Richters oder einer Häufung der Fälle nicht zu solchen Nöten kommt.“

Der Prozess gegen den Lübbenauer, der den 14-Jährigen missbraucht haben soll, hat inzwischen neu begonnen.

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