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Berlin: Mykonos hin und andersrum

Germanwings fliegt jetzt auch ein beliebtes Reiseziel für Schwule an Partymacher Bob Young war gestern einer der ersten Passagiere

Der Mann auf dem Ausweisfoto trägt seine dunklen Haare kurz und nach hinten gegelt, Typ: Dressman. Die Person, die diesen Ausweis in der Nacht zu Sonntag über den Abfertigungsschalter im Flughafen Schönefeld schiebt, trägt ein knallenges Leopardenkleid, lange Mähne und viel Gloss auf den Lippen; er nennt sich „Melli Magic“. Der Angestellte, der den Pass gereicht bekommt, blickt irritiert. Mehrmals wandern seine Augen zwischen Fluggast und Foto hin und her. Kurzes Grübeln, dann stellt er der Leoparden-Lady ein Flugticket aus. Normal ist in dieser Nacht ohnehin nichts, also bloß keine weiteren Gedanken machen.

Mehrere Dutzend Gäste stehen am Sonntag kurz nach eins am Schalter der Fluglinie Germanwings. Einige von ihnen haben sich weiße Bettlaken als Togas um den Körper gewickelt, auf den Köpfen tragen sie Efeu-Kränze aus Plastik. Das künstliche Grün ziert auch die Säulen und die Nachbildungen antiker griechischer Skulpturen, die vor dem Schalter aufgebaut sind. Die Kulisse soll die Passagiere auf das bevorstehende Reiseziel einstimmen: Um drei startet der erste Germanwings-Flieger nach Mykonos.

„Wir haben in der letzten Zeit häufiger Anfragen bekommen“, sagt Germanwings-Sprecherin Ines Hoepffner. Deshalb hat das Unternehmen das Reiseziel nun in seinen Plan aufgenommen, einmal wöchentlich fliegt es dorthin. Und weil Mykonos eine beliebte Urlaubsinsel bei Schwulen ist, hat sich Partyveranstalter Bob Young mit einer Gruppe von 80 Männern Plätze für den Jungfernflug gesichert, DJane Melli Magic soll dabei hoch über den Wolken auflegen. Was der GMF-Chef als lustigen Ausflug geplant hat, ist für das Flugpersonal ungewöhnlicher Stress, aber durchaus unterhaltsam.

„Ich lasse mich überraschen, was da auf mich zukommt“, sagt Veranstalter Bob Young. Eine Woche lang will er mit den Jungs auf Mykonos bleiben. Viele von ihnen sind Freunde von Freunden, Young kennt sie nicht persönlich, dazu war auch die Zeit im Café Moskau zu kurz. Dort haben sich die Reisenden zuvor getroffen, um vorzuglühen und im Konvoi nach Schönefeld zu fahren. Ihr Erkennungszeichen ist ein hellblauer Anstecker mit einem GMF-Schriftzug.

Um halb drei bittet eine Lautsprecherstimme „die Mitglieder der GMF Greek Week“ an Bord. Es fliegen auch andere Gäste mit, Paare mit Kindern, ältere Damen. Sie sind per Brief vor der aufgedrehten Reisegruppe gewarnt worden und beobachten das quietschig bunte Treiben nun amüsiert. Als ein Stewart mit eleganten Bewegungen die Sicherheitsvorschriften erklärt und „Ausziehen!“-Rufe laut werden, müssen auch sie lachen.

DJane Melli Magic hingegen hat kurz nach dem Start keine gute Laune: Sie will mit ihrem iPod ihr Set beginnen, doch über die mitgebrachten Boxen kommt kein Ton. „Das liegt daran, dass ich seit drei Monaten keinen Sex hatte“, sagt Kollegin „Barbie Breakout“ und versucht, das Technikproblem mit negativen Schwingungen zu erklären. Unterdessen bittet ein Stewart die Gäste, die Toiletten nur einzeln aufzusuchen. „Bleibt artig!“ Seine Stimme geht im Gewusel unter.

Um über die fehlende Musik hinwegzutrösten, empfiehlt Partyveranstalter Bob Young seiner Gruppe eine andere Art der Unterhaltung: „Habt Spaß, lernt euch kennen.“ Sein Bruder läuft mit einer Wodka-Flasche durch den Gang, ihm werden Plastikbecher entgegengereckt. Wer braucht schon Musik, wenn der Alkoholpegel stimmt? Wenig später sitzen junge Männer einander auf dem Schoß. Nach der Landung kurz vor sieben Ortszeit verabschiedet sich der Kapitän: „Bleibt sauber, wir sehen uns in einer Woche.“ Über Mykonos ist der Himmel hellblau. Es soll die nächsten Tage ziemlich heiß werden.

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