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Konzert: Na Troll!

Die isländische Rockband Sigur Rós spielt am Mittwoch im Tempodrom.

Bei Musikern aus Island stellt sich oft die Frage: Sind die so seltsam, weil sie von der abgelegenen Insel kommen, oder hält man sie bloß für seltsam, weil man weiß, dass sie Isländer sind? So ist das bei Björk, der Popelfe, so ist das auch beim Technotrio Gus Gus und bei Múm, die sich zum Albumaufnehmen in alte Leuchttürme einschließen. Die definitiv kauzigste aller Islandbands heißt aber Sigur Rós. Deren Songs dauern leicht acht Minuten, E-Gitarren werden mit Cellobögen gestreichelt, die sirenenhafte Falsettstimme des halbblinden Sängers ist eindringlicher als ein ganzer Frauenchor. Sigur-Rós-Lieder klingen so zauberhaft und außergewöhnlich, die müssen auf entlegenen Hochebenen zwischen Vulkankratern komponiert worden sein. Oder?

Am Mittwoch spielt Sigur Rós im Tempodrom, offiziell ist das Konzert ausverkauft, wer hin will, muss auf Ebay mitbieten oder sein Glück am Abend vor der Halle versuchen. „Med Sud I Eyrum Vid Spilum Endalaust“ heißt das neue Album, das ist Isländisch und bedeutet: „Mit einem Brummen in den Ohren spielen wir endlos weiter.“ Die Texte sind bei Sigur Rós Teil des Geheimnisses. Frontmann Jónsi Birgisson, 32, sang lange nur auf Isländisch, und in Zeilen wie „Skapaður í mynd manns í líki karls og“ konnten Fans im Rest Europas und in den USA alles hineindeuten, was sie wollten. Gnome, Zauberwälder, karge Geröllwüsten, heiße Quellen. Später kreierte die Band ihre eigene Fantasiesprache „Vonlenska“ – „Hoffnungsländisch“. Das waren wohlklingende Laute, die dem Sänger im Kopf herumspukten. Auf dem neuen Album probieren sie mit "All Alright" erstmals ein Stück auf Englisch, es entstand im Londoner Abbey-Road-Studio. Doch keine Angst: Birgissons Akzent ist so stark, man versteht weiterhin gar nichts und kann seine Gedanken frei kreisen lassen.

In Interviews wird gerne geschwiegen

Schwierigkeiten haben Sigur Rós mit Interviews. Die waren in der Vergangenheit selten ergiebig, es gab Gespräche, in denen sich die vier Musiker konsequent auf „ja“ oder „nein“ beschränkten. Wie vorigen Oktober in Berlin, als sie sich nach einem Kurzauftritt im Admiralspalast zum Publikumsgespräch bereit erklärten. Gleich der erste Fan wollte wissen, warum auf dem Cover ihrer CDs so oft Aliens zu sehen sind und nicht etwa Feen oder zumindest ein Troll. Da schwieg die Band. Inzwischen haben Sigur Rós das Interviewgeben ganz eingestellt. Sie sagen, man solle sich lieber auf die Gefühle einlassen, die sich beim Hören ihrer Musik einstellen. Ihr Lieblingszitat ist von Victor Hugo: „Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber zu schweigen unmöglich ist.“

Einer wird beim Konzert am Mittwoch sicher nicht im Publikum sitzen: Olafur Eliasson, der dänische Künstler, der in Berlin lebt und eigentlich den Umschlag für das neue Sigur-Rós-Album gestalten sollte. Die Band hatte ihn darum gebeten. Aber als die vier im April nach Berlin flogen und sich in Eliassons Atelier in der Invalidenstraße seinen Motivvorschlag erklären ließen – ein weißes Dreieck in einem Kreis, ein bisschen wie bei „Dark Side of the Moon“ von Pink Floyd – da bekamen sie Panik und flogen schnell weiter nach London. Auf dem Cover sind jetzt vier Nackte zu sehen, die über eine Straße in Richtung Wald und Berge laufen. Natur geht bei Sigur Rós immer. Sebastian Leber

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