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Nach 20 Jahren: Ein Gedicht an den Mörder der Tochter

Die Familie der vor 20 Jahren getöteten Alexandra erinnert an die ungeklärte Bluttat. Trotz DNA-Analyse hat die Kriminalpolizei keine neuen Spuren.

Berlin – Für die Eltern ist Alexandra unvergessen. 20 Jahre nach dem bis heute nicht aufgeklärten Mord an ihrer Tochter appellieren sie an den Täter, sich zu stellen. Mit einem langen Gedicht, abgedruckt als Zeitungsanzeige, gingen die Eltern der damals 19-Jährigen gestern an die Öffentlichkeit: „Doch wenn du ein Gewissen hast, dann horch’ in dich hinein! Es wird dir sagen: Deine Last bleibt ewig deine Pein.“ Und weiter: „Du glaubst, wir hätten aufgegeben? Da solltest du nicht sicher sein!“

Es geschah auf den Tag genau heute vor 20 Jahren, der 7. August 1990 war ein Dienstag. Nachdem Alexandra S. am Nachmittag ein Treffen mit ihrem Freund Ingo nicht eingehalten hatte, meldet der sich besorgt bei den Eltern. Der Vater, er hat einen Zweitschlüssel, fährt mit dem Freund zur Wohnung am Reichweindamm in Siemensstadt. Sie finden die junge Bankangestellte am Abend blutüberströmt, mit zahlreichen Messerstichen in den Oberkörper getötet. Schon in der ersten Meldung der Polizei ist von einem Raubmord die Rede, denn der Videorekorder fehlt in der Wohnung. Ein Sexualdelikt werde „ausgeschlossen“. Die Tatwaffe, ein Messer, wird in der Wohnung sichergestellt. Schnell setzt das Polizeipräsidium eine Belohnung aus von 10 000 Mark, sonst immer ein sicheres Indiz, dass die Ermittler nicht vorankommen. Doch damals wird parallel ein recht gutes Phantombild veröffentlicht. Zeugen hatten in der Nähe des Tatortes einen Mann gesehen, der einen in Wolldecken gewickelten Videorekorder trug. Doch auch dies führt nicht zum entscheidenden Tipp. Vier Monate später setzen die Eltern weitere 30 000 Mark Belohnung aus, danach gerät der Fall aus dem Blick der Öffentlichkeit, im Vereinigungsjahr 1990 gibt es eine regelrechte Mordwelle.

Doch bei der Mordkommission in der Keithstraße werden die Akten nie geschlossen; Mord verjährt schließlich nicht. Der Fall Alexandra S. gehört zu den 188 ungeklärten Alt-Fällen ab 1976, die seit drei Jahren wieder untersucht werden. Denn die Technik, vor allem bei der Analyse von DNA-Spuren, hat in dieser Zeit Fortschritte gemacht; mittlerweile können auch winzigste Spuren analysiert werden, was früher nicht möglich war. So wurde im Dezember in einem anderen Fall nach 17 Jahren der Mord an einem Obdachlosen geklärt. An der Tatwaffe, einem Hammer, wurde eine DNA-Spur gesichert, die beim Bundeskriminalamt gespeichert war. Sie gehörte einem Mann, der seit vielen Jahren wegen dreifachen Mordes in der JVA Tegel sitzt.

Wie der Hammer wurde auch die Tatwaffe im Fall Alexandra S. asserviert. Doch in dem Fall gibt es keinen Durchbruch, hieß es im Präsidium. Die 2. Mordkommission habe die Akten zuletzt 2007 durchgearbeitet, aber keinen neuen Ansatz gefunden. Zudem dämpfte die Polizei Hoffnungen auf allzu viele Treffer durch DNA-Analyse. Da vor 20 Jahren die Technik noch unbekannt war, wurde nicht auf Sauberkeit geachtet, jeder Ermittler oder Laborant kann seine Spuren hinterlassen haben. „Es gibt keinen konkreten Tatverdacht“, betonte ein Polizeisprecher gestern und trat damit Spekulationen entgegen, dass der Täter namentlich bekannt sei. Diesen Eindruck vermittelt auch das Gedicht, in dem der Täter durchweg mit „du“ angeredet wird. Einbruchsspuren waren damals nicht gefunden worden – entweder hatte der Täter einen Schlüssel oder Alexandra ließ ihn herein. Vor zehn Jahren hatte der damalige Leiter der Mordkommissionen, Jochen Sindberg, diese Spekulationen noch geschürt: „Wir schließen bis heute nicht aus, dass unter den vernommenen Personen der Mörder war – aber es gab keinen dringenden Tatverdacht.“ Auch zum 10. Todestag ihrer Tochter hatte die Mutter ein Gedicht veröffentlicht.

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