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Berlin: Nach 25 000 Einsätzen ist Schluss: Der letzte Flug von "Christoph 31"

Staub aufgewirbelt hat nicht nur seine zuvor für unmöglich gehaltene Stationierung vor 14 Jahren im damals noch eingemauerten West-Berlin. Bei spektakulären Einsätzen wurde gelegentlich jede Menge Dreck durch offene Fenster gewirbelt.

Staub aufgewirbelt hat nicht nur seine zuvor für unmöglich gehaltene Stationierung vor 14 Jahren im damals noch eingemauerten West-Berlin. Bei spektakulären Einsätzen wurde gelegentlich jede Menge Dreck durch offene Fenster gewirbelt. Doch selbst wenn die Wäsche auf der Leine und mitunter auch einmal ein paar Marktstände vom Winde verweht wurden, hat sich kaum jemand beschwert. Denn jeder wusste, es ging um Menschenleben. Gestern flog "Christoph 31" seinen letzten Einsatz, - um heute von einem neuen Modell abgelöst zu werden.

Nach langen Verhandlungen hatten die Alliierten dem Betrieb des ersten zivilen Helicopters in West-Berlin zugestimmt. 1987 musste "Christoph 31" die Reise nach Berlin per Tieflader antreten - Hubschrauber waren selbst in den alliierten Luftkorridoren über der DDR verboten. Wegen der damals herrschenden Lufthoheit der Schutzmächte übernahm die amerikanischen Gesellschaft Omniflight den Betrieb im Auftrag des ADAC. Die Piloten hatten Vietnam-Erfahrung und die strenge Anweisung, gebührenden Abstand zur Mauer zu halten. Am 13. Oktober 1987 - 17 Jahre nach dem Beginn der Luftrettung in der Bundesrepublik - konnten die gelben Engel dann endlich auch in Berlin vom Himmel kommen.

Zunächst als Ergänzung der Notarztwagen für Randgebiete wie Wannsee oder Kladow gedacht, wurde der Einsatzradius nach dem Mauerfall bis zum Berliner Ring erweitert. Vor wenigen Wochen gab es den 25 000. Einsatz, ein Rekord unter den 53 deutschen Rettungshubschraubern. Längst steht nicht mehr der Transport des Patienten zur Klinik, sondern der Transport des Arztes zum Patienten im Vordergrund. Durchschnittlich achteinhalb Minuten vergehen zwischen Alarm und Landung. Die Bilanz der Crew kann sich sehen lassen. 17 000 Menschen wurde geholfen, darunter 1700 Herzinfarktpatienten und 950 Schwerstverletzten. 450 Menschen wurden erfolgreich wiederbelebt.

Gary Dean McKinney ist ein Mann fast der ersten Stunde. 1989 trat der 47-jährige Amerikaner seinen Dienst bei Omniflight an und blieb, als "Christoph 31" dann 1992 eingedeutscht wurde. Er ist einer von drei Piloten, die abwechselnd mit einem Notarzt des Klinikums Benjamin Franklin und einem Rettungsassistenten des Roten Kreuzes in Bereitschaft stehen. Drei Tage Dienst, vier Tage frei, so die Schicht. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang im Winter, im Sommer von 7 bis 20 Uhr. Obwohl er bei tausenden Flügen jede Menge Leid gesehen hat, ist ihm ein Einsatz besonders an die Nieren gegangen. Dem Baby, das jemand kurz nach der Geburt in den Müll geworfen hatte, konnte niemand mehr helfen.

"Alle von uns geben 100 Prozent", sagt McKinney. Der Job des Piloten ist es, den Notarzt so nah wie möglich zum Patienten zu fliegen. Da tauchten die Kufen des Hubschraubers ins Wasser der Krummen Lanke, um ein Mädchen vor dem Ertrinken zu retten. In einem anderen Fall war eine Mini-Insel bei Schmöckwitz gerade groß genug. Und diplomatische Verwicklungen verursachte die Landung auf dem Parkplatz der iranischen Botschaft, wie sich Feuerwehrchef Albrecht Broemme erinnert.

Der neue "Christoph 31", den McKinney jetzt steuert - ein Eurocopter EC 135 - ist nicht nur schneller und leiser als die betagte BO 105. Er bietet auch mehr Platz und vibriert deutlich weniger. Mit sechs Millionen Mark war "D-HBLN", so das amtliche Kennzeichen, mehr als doppelt so teuer wie sein Vorgänger. Dafür wird bald an den Betriebskosten gespart, denn Ende des Jahres wird der eigene Hangar samt Tankstelle am Klinikum fertig sein. Dann entfallen jährlich rund 300 000 Mark für Leerflüge zur Betankung und Übernachtung auf dem Flughafen Tempelhof.

Rainer W. During

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