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Das Zentrum für politische Schönheit provoziert, um auf die Situation von Flüchtlingen hinzuweisen.

© Rainer Jensen/dpa

Update

Nach Aktion "Flüchtlinge Fressen" in Berlin: Regierung sieht Klage vom Zentrum für Politische Schönheit "gelassen entgegen"

Warum können Kriegsflüchtlinge nicht mit dem Flugzeug nach Berlin gebracht werden? Fluggesellschaften, die dies unternehmen, drohen Sanktionen. Das Zentrum für Politische Schönheit hat deswegen nun das Innenministerium verklagt.

Die Protestaktion "Flüchtlinge Fressen" geht vor Gericht weiter. Die Aktionskünstler des Zentrums für Politische Schönheit haben am Mittwoch Klage gegen die Bundesregierung eingereicht. Genauer gegen das Innenministerium wegen der "rechtswidrigen Einmischung in die Aktion Flüchtlinge Fressen, die Verfassungswidrigkeit von & 63 des Aufenthaltsgesetzes sowie des EU-Türkei-Paktes", wie es in der Anklageschrift von ZPS-Anwalt Markus Goldbach heißt.

Ein Sprecher des Innenministeriums sagte dem Tagesspiegel am Mittwoch, die Klage sei dem Ministerium bislang nicht zugestellt worden und daher nur aus der Berichterstattung der Medien bekannt. "Das Innenministerium sieht der Klage gelassen entgegen."

Das Aktionstheater "Flüchtlinge Fressen" hatte vor wenigen Monaten bundesweit Aufsehen erregt. Vor dem Berliner Gorki-Theater war ein Tigerkäfig aufgebaut worden, die Aktionskünstler hatten angekündigt, Flüchtlinge von den Tieren fressen zu lassen. 100 syrische Flüchtlinge sollten mit einem Charterflugzeug von der Türkei aus nach Berlin gebracht werden.

Die Fluggesellschaft Air Berlin hatte den seit Monaten bestehenden Charterflug gekündigt, nachdem sich das Innenministerium mit einem Schreiben an die Fluggesellschaft gerichtet hatte. Das ZPS hatte bereits im Juni angekündigt, zusammen mit den betroffenen Flüchtlingen vor Gericht ziehen zu wollen - im Zweifel sogar bis vor das Bundesverfassungsgericht, um doch noch eine Einreiseerlaubnis nach Deutschland für die Flüchtlinge zu erhalten.

"Die Bundesregierung hat offenbar die Prüfung des Vorliegens humanitärer Gründe unterlassen“

In der Klage werden 23 syrische Flüchtlinge vertreten, die in der Anklageschrift namentlich erwähnt werden und deren Einreise per Flugzeug im Rahmen der Aktion "Flüchtlinge Fressen" verwehrt wurde. Zu Air Berlin hatte das ZPS gesagt, Statisten für ein Theaterstück aus der Türkei einfliegen zu wollen. Die Klage richtet sich gegen § 63 AufenthG, sowie dessen "rechtswidrige Anwendung durch die Bundesregierung". Das Aufenthaltsgesetz droht Beförderungsunternehmen Sanktionen für den Fall an, dass sie Menschen ohne gültige Papiere oder Einreiseerlaubnis in die Europäische Union transportieren. Laut dem ZPS war die Ablehnung im konkreten Fall rechtswidrig, weil "das Aufenthaltsgesetz nicht zur Abwehr der illegalen Einreise von Wirtschaftsflüchtlingen, sondern zur Verhinderung der Einreise von dokumentierten, asylsuchenden Kriegsflüchtlingen angewandt wurde." Es sei rechtlich nicht geklärt, ob die Bestimmungen des § 63 überhaupt mit dem Grundgesetz zu vereinbaren seien.

Laut Philipp Ruch ist dies der erste Präzedenzfall

"Die Bundesregierung hat offenbar die Prüfung des Vorliegens humanitärer Gründe unterlassen“, so Goldbach, „und sich ausschließlich in einem Konflikt mit dem Zentrum für Politische Schönheit gewähnt, dem sie einen generellen Angriff auf die Bundesregierung und geltende Normen vorgeworfen hat. Schon verwaltungsrechtlich ist das äußerst problematisch.“ Die vollständige Anklageschrift kann online unter diesem link eingesehen werden.

„Bei der Verweigerung des Rechts auf Benutzung eines Flugzeugs für Asylsuchende“, so Philipp Ruch, künstlerischer Leiter des ZPS, „handelt es sich um einen verfassungsrechtlichen Sprengstoff, den die Gerichte jetzt insbesondere auf den dritten Artikel des Grundgesetzes entschärfen können. Für das Recht, das Mittelmeer nicht zu Fuß oder mit einem Schlauchboot, sondern mit einem Flugzeug zu überwinden, fehlte bis zum Sommer der Präzedenzfall. Keine Menschenrechtsorganisation in Deutschland fand den Mut, ein solches Flugzeug anzumieten. Jetzt ist der Fall endlich da.“

Ein animiertes Video des Zentrums für Politische Schönheit zeigt die "Joachim 1", mit der Flüchtlinge nach Berlin gebracht werden sollten.
Ein animiertes Video des Zentrums für Politische Schönheit zeigt die "Joachim 1", mit der Flüchtlinge nach Berlin gebracht werden sollten.

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