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Dienstjubiläum: Nach dem Fest fristlos entlassen

Eine Bahnangestellte feierte ihr 40. Dienstjubiläum – und rechnete zu viel ab. Im Prozess geht es nun auch um das „Emmely“-Urteil.

Berlin - Als Zugansagerin Christiane M. im Herbst 2008 ihr 40. Dienstjubiläum im Bahnhof Strausberg feierte, kostete die Bewirtung der Kollegen knapp 90 Euro. Die Jubilarin schöpfte den möglichen Rahmen damit zunächst nicht aus, denn die Bahn-Tochter DB Station & Service spendiert für solche Feiern bis zu 250 Euro. Dann aber entschied sich die heute 59-Jährige zu einer „betrügerischen Handlung“, wie das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg am Donnerstag feststellte: Sie reichte die gefälschte Quittung eines Caterers über 250 Euro ein und bekam das Geld bar ausbezahlt. Dafür wurde ihr später fristlos gekündigt.

Der Fall erinnert an die „Emmely“ genannte Supermarktkassiererin, die vergessene Pfandbons eines Kunden im Wert von 1,30 Euro selbst eingelöst hatte, aber nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) wieder bei Kaiser’s arbeiten darf. Darauf wies auch der Vorsitzende Richter und Vizepräsident des Landesarbeitsgerichts, Gerhard Binkert, hin: Das BAG habe seine jahrzehntelange Rechtsprechung überraschend geändert und einen „Paradigmenwechsel“ eingeleitet. Er finde das Emmely-Urteil „nicht richtig“, müsse sich aber daran orientieren. Auf die Schadenshöhe komme es dabei nicht an. Nirgends sei geregelt, wann ein Bagatelldelikt vorliege: „Wertgrenzen sind völlig abwegig.“

Der Trick der Zugansagerin flog erst im Juni 2009 auf. Der Caterer fand bei einer Innenrevision viele „Scheinrechnungen“ für nie erbrachte Leistungen und informierte Betroffene, darunter die Bahn. Zur Rede gestellt, gab die Angestellte ihr Fehlverhalten zu, verteidigte sich aber mit mangelndem Unrechtsbewusstsein. Vorgesetzte hätten den Eindruck vermittelt, es sei üblich, 250 Euro in Rechnung zu stellen – was Vertreter des Arbeitgebers jetzt vehement bestritten. Zudem habe sie sich nicht um die Quittung bemüht, so Christiane M. Eine Mitarbeiterin eines DB-Reisezentrums habe ihr diese angeboten. Der Betriebsrat hielt eine Abmahnung für ausreichend, der Arbeitgeber nicht. Da langjährige Mitarbeiter laut „Manteltarifvertrag Schiene“ nur aus besonderen Gründen kündbar sind, kam die einfache Vertragsauflösung nicht in Frage, und die Bahn-Tochter feuerte die Frau fristlos. Diese klagte dagegen, unterlag aber zunächst vor dem Arbeitsgericht.

In der Berufungsverhandlung betonte Richter Binkert nun, die „strafrechtlich relevante grobe Pflichtwidrigkeit“ stelle einen Kündigungsgrund dar. Entlastend sei aber, dass die Klägerin – anders als Kassiererin „Emmely“ – ihre Tat sofort zugegeben, keine Kollegen belastet und sich „nicht im Rahmen ihrer Kerntätigkeit“ bereichert habe. Zudem habe das BAG mit seinem Pfandbon-Urteil die Bedeutung langer Betriebszugehörigkeit gestärkt.

Die Bahnvertreter aber sprachen von „sorgfältigst vorbereitetem Betrug“ und nannten die Weiterbeschäftigung der Frau „unzumutbar“. Die Kammer schlug einen Vergleich vor: Die Klägerin solle ab August wieder angestellt werden, mit dem mehr als einjährigen Einkommensverlust sei ihre Tat genügend geahndet. Die Zugansagerin, die netto rund 1700 Euro verdiente und nun arbeitslos ist, war einverstanden. Dagegen kritisierte ein Manager der DB Station & Services, man solle „akzeptieren, betrogen zu werden“. Die Rückkehr der Frau sei ein fatales Signal, er müsse erst einmal Rücksprache im Konzern halten. Jetzt haben beide Seiten vier Wochen Zeit, den Vergleich zu akzeptieren – andernfalls folgt bald ein Urteil.

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